Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnungsgrund. Stiefvater. Einstweiliger Rechtsschutz. fehlender Anordnungsgrund. vergangener Zeitraum. ungeklärte Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 nF. Berücksichtigung des Partnereinkommens zugunsten des nicht leiblichen Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für abgelaufene Zeiträume besteht in aller Regel kein Anordnungsgrund gemäß § 86 b Abs. 2 SGG.

2. Auch bei ungeklärter Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II führt eine im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes anzustellende Folgenabwägung in der Regel nicht zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Mai 2007 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 15. Februar 2007 bis zum 31. Juli 2007 (Ende des Bewilligungszeitraumes).

Die Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der 1991 geborenen Antragstellerin zu 2). Gemeinsam bewohnen sie mit dem Lebensgefährten der Antragstellerin zu 1), Herrn DC, eine Mietwohnung unter der im Rubrum genannten Anschrift. Der Mietzins beträgt einschließlich Nebenkosten 528,70 EUR monatlich. Die Antragstellerin zu 1) bezieht aus einer Nebenbeschäftigung ein Einkommen in Höhe von 165,- EUR brutto monatlich, für die Antragstellerin zu 2) wird ein monatliches Kindergeld von 154,- EUR gewährt. Herr C verfügt über ein Einkommen aus Arbeitslosengeld I in Höhe von 1.438,80 EUR (bereinigt um eine Versicherungspauschale von 30,- EUR) monatlich.

Mit - hier nicht streitgegenständlichem - Bescheid vom 12. Juli 2006 gewährte der Antragsgegner den Antragstellerinnen für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis zum 31. Januar 2007 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 298,23 EUR monatlich. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) ergab sich unter Anrechung des Einkommens des Herrn C kein ungedeckter Bedarf; hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) fand eine Einkommensanrechnung nicht statt, so dass sich nach Abzug des gewährten Kindergeldes in Höhe von 154,- EUR vom ermittelten Bedarf von 452,23 EUR ein monatlicher Zahlbetrag in der genannten Höhe (298,23 EUR) ergab. Mit Bescheid vom 17. November 2006 hob der Antragsgegner unter Hinweis auf den zum 1. August 2006 geänderten § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II vorgenannten Bescheid auf: Nach dieser Vorschrift sei u. a. auch das Einkommen und Vermögen des in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners eines Elternteils beim Bedarf des in der Gemeinschaft lebenden unverheirateten Kindes zu berücksichtigen. Durch das Einkommen des Herrn C könne demzufolge für den vorgenannten Zeitraum auch der Bedarf der Antragstellerin zu 2) vollständig gedeckt werden.

In einem gegen vorgenannten Bescheid geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren ordnete das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 8. Januar 2007 (Az: S 103 AS 10869/06 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen den (Aufhebungs-) Bescheid vom 17. November 2006 an und verpflichtete den Antragsgegner im Wege der Aufhebung der Vollziehung zur Auszahlung der mit Bescheid vom 12. Juli 2006 bewilligten Leistungen für Dezember 2006 und Januar 2007. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerinnen überwiege; denn von der Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II sei auszugehen. Mit Beschluss vom 22. Mai 2007 hob das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az: L 5 B 240/07 AS ER) vorgenannten Beschluss auf und wies das vorläufige Rechtsschutzbegehren unter Hinweis darauf, dass das Gericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren an das geltende Recht, mithin an § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, gebunden sei, zurück.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. Februar 2007 lehnte der Antragsgegner den Folgeantrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Juli 2007 unter Hinweis darauf, dass der Bedarf der Antragstellerinnen aufgrund der Einkommenssituation der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II gedeckt sei, ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2007 zurück, woraufhin die Antragstellerinnen am 21. März 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben haben (Az: S 119 AS 3841//07).

Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 7. Mai 2007 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aus den Gründen des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 8. Januar 2007 verpflichtet, den Antragstellerinnen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II ab dem 15. Februar 2007 (gerichtliche Antragstellung) bis zum Abschluss des Bewilligungszeitraumes (31. Juli 2007) zu bewilligen, und zwar...

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