Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. objektivierender Maßstab bei Vergütungsfestsetzung. Rentengutachten. Plausibilitätsprüfung. Kürzung der Vergütung auf das Dreifache der durchschnittlichen Entlohnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung im Beschluss vom 31.5.2010 (L 2 SF 12/10 B) mit der Maßgabe fest, dass dem bei der Abrechnung übermäßig unplausibel bleibenden Sachverständigen nach Kürzung der Vergütung noch ungefähr das Dreifache des Spartendurchschnitts verbleiben kann.

 

Tenor

Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 9. Februar 2016 im Verfahren L wird auf 3699,23 € festgesetzt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat der Staatskasse 1026,38 € zu erstatten.

 

Gründe

Nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG hat das Landessozialgericht in Senatsbesetzung zu entscheiden, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Kürzung der Vergütung in dem Umfang wie im vorliegenden Fall vor, auch wenn der Senat an seiner Rechtsprechung zur Kürzung der Vergütung bei erheblicher Überschreitung der der medizinischen Fachsparte durchschnittlich gewährten Vergütung festhält. Die Grundsätze, die der Senat im Beschluss vom 21. Mai 2010 (L 2 SF 12/10 B) herausgearbeitet hat, gelten weiter mit der Maßgabe, dass dem bei seiner Abrechnung übermäßig unplausibel bleibenden Sachverständigen noch ungefähr das Dreifache der Vergütung des Spartendurchschnitts verbleiben kann.

Rechtsgrundlage der Vergütung sind die §§ 8 ff JVEG. Das Honorar des Sachverständigen richtet sich nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Maßstab der festzusetzenden Vergütung ist daher der Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität (allgemeine Meinung, vgl. nur Meyer/Höver/Bach/Oberlack, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, Kommentar, 26. Auflage, 2014, § 8, Rdnr. 13). Maßgeblich ist danach nicht die tatsächlich vom Sachverständigen aufgewandte Zeit. In Anwendung eines objektivierenden Maßstabes erfolgt die Festsetzung der Vergütung im Zuständigkeitsbereich des erkennenden LSG Berlin-Brandenburg nach ständiger Rechtsprechung nach folgenden Grundsätzen (vgl. z. B. Beschluss des LSG vom 17. November 2005, Az. L 2 B 1007/05 SF und Beschluss vom 15. März 2007, Az. L 2 B 3/07 SF und Beschluss vom 31. Mai 2010, L 2 SF 12/10 B, zitiert nach juris):

1. Aktenstudium: 100 Blatt pro Stunde für mit medizinischen Befunden durchsetztes Aktenmaterial (zum Aktenmaterial in diesem Sinne gehören auch übersandte Röntgenaufnahmen und Ergebnisse anderer bildgebender Verfahren).

2. Untersuchung: für die ambulante Untersuchung wird grundsätzlich der angegebene Zeitaufwand angesetzt, wobei 2 Stunden im Durchschnitt ausreichend sein dürften.

3. Anamnese und Wiedergabe der Befunde: die Abfassung des Gutachtens für diesen Teil wird mit 3 Seiten pro Stunde berücksichtigt.

4. Diskussion der Untersuchungsergebnisse und Beantwortung der Beweisfragen: für diese eigentliche Arbeit des Sachverständigen wird ein Zeitaufwand von 2 Seiten pro Stunden anerkannt.

5. Für Diktat und Durchsicht: hier erscheinen 5 Seiten pro Stunde angemessen.

Durch diese Art der objektivierten Vergütung wird sichergestellt, dass sich der im Gutachten niederschlagende Zeitaufwand gemessen am Grundsatz der Erforderlichkeit in der Vergütung auch spiegelt.

Trotz dieser objektivierten Vergütungsberechnung ist in Einzelfällen anerkannt, dass eine Plausibilitätsprüfung und in der Folge ggf. eine Kürzung zu erfolgen hat, wenn eine erhebliche Überschreitung der durchschnittlich gewährten Vergütung für vergleichbare Sachverständigenleistungen festzustellen ist. Das Gericht braucht den Angaben des Sachverständigen keineswegs schlechthin zu folgen. Ein ungewöhnlich hoher Zeitaufwand berechtigt und verpflichtet das Gericht zur Nachprüfung. In Einzelfällen, in denen eine erhebliche Überschreitung der durchschnittlich gewährten Vergütung für vergleichbare Sachverständigenleistungen festzustellen ist, kann es gerechtfertigt sein, abweichend von den allgemeinen Grundsätzen für die Festsetzung nicht die geltend gemachte Zeit heranzuziehen, sondern eine Kürzung vorzunehmen, die sich an dem durchschnittlichen Honorar der jeweiligen Fachgruppe orientiert (vgl. zum Ganzen Meyer/Höver/Bach, a.a.O., 25. Auflage 2011, § 8 Rdnr. 8.48; Beschluss des LSG Thüringen vom 20. Februar 2008, Az. L 6 B 186/07 SF mit weiteren Hinweisen bei einer Überschreitung der üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 v.H., zitiert nach juris).

Eine solche Kürzung setzt allerdings voraus, dass Erkenntnisse über die Vergütung der “durchschnittlichen„ Gutachten einer Fachgruppe vorliegen. Vorliegend hat die Festsetzungsstelle des Sozia...

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