Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bestimmtheit eines Sanktionsbescheides
Orientierungssatz
1. Hat ein Widerspruch nach § 39 Nr. 1 SGB 2 keine aufschiebende Wirkung, so richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG. Dessen Gewährung setzt voraus, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen, eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen ist und dem Antragsteller das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann.
2. Bei einer Absenkung des Arbeitslosengeldes 2 nach § 31 SGB 2 muss der Umfang der Kürzung konkret und unmissverständlich sein. Mangelt es an dieser Bestimmtheit, so kann dieser Mangel nach Ablauf des Sanktionszeitraumes nachträglich nicht geheilt werden, weil es sich um einen besonders schweren Fehler handelt.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2007 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat dem Antragsteller im Ergebnis zu Recht einstweiligen Rechtsschutz gewährt.
Das Rechtsschutzgesuch des Antragstellers, der in einer Bedarfgemeinschaft lebt, richtet sich nach § 86 b Abs. 1 SGG. Denn mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 4. Dezember 2006 ist u. a. ihm Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 311,00 € für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Februar 2007 bis zum 30. Juni 2007 gewährt worden. Damit hat der Antragsgegner einen Rechtsgrund geschaffen, aus dem der Antragsteller für die jeweiligen Monate tatsächlich die Auszahlung der von ihm begehrten Leistungen verlangen kann. Wenn der Antragsgegner meint, diese Leistungsgewährung sei vom 1. April 2007 an insoweit rechtswidrig geworden, so bedarf der Bewilligungsbescheid der Aufhebung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Dieser Bescheid, der hier unter dem 28. März 2007 ergangen ist, und der mit dem Änderungsbescheid am 5. April 2007 über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2007 eine Einheit bildet, stellt eine den Antragsteller belastende Regelung dar, weil mit ihr in die dem Antragsteller mit dem Bewilligungsbescheid vom 4. Dezember 2006 gewährte und ihn begünstigende Rechtsposition eingegriffen worden ist.
Der Senat kann offen lassen, ob die genannten Bescheide und der weitere Bescheid des Antragsgegners vom 26. April 2007, mit dem er über die Höhe der Kosten der Unterkunft der Bedarfsgemeinschaft nach deren Umzug zum 1. Juni 2007 entschieden hat, gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sind, in dem sich der Antragsgegner gegen die mit Bescheid vom 19. Februar 2007 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2007 verfügte Sanktion wendet, oder ob der vorliegende Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes vom 11. April 2007 als Widerspruch gegen die in diesem Verfahren streitgegenständliche Sanktionsentscheidung auszulegen ist. Da jedenfalls ein Widerspruch nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.
Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rdnr. 197 ff.). Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, also ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht (Beschlüsse des Senats vom 6. März 2007 - L 28 B 290/07 AS ER -,vom 2. Mai 2007 - L 28 B 517/07 AS ER - und vom 6. Juni 2007 - L 28 B 731/07 AS ER - sowie bereits Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2006 - L 10 B 191/06 AS ER -, abrufbar unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de).
An diesen Grundsätzen gemessen war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die angefochtene Entscheidung de...