Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit einer Verrechnung von Geldleistungen eines Sozialleistungsträgers mit Forderungen eines anderen Sozialleistungsträgers
Orientierungssatz
Nach § 52 SGB 1 kann der für die Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB 1 die Aufrechnung zulässig wäre. Für das Bestehen der erforderlichen Aufrechnungslage spricht u. a. ein bindend gewordener Forderungsbescheid. Liegt ein entsprechendes Verrechnungsersuchen des Gläubigers vor, so ist die vorgenommene Verrechnung rechtmäßig, wenn der Schuldner hierdurch nicht hilfebedürftig wird.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 7. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die begehrte gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des in der Erhebung des gerichtlichen Antrags auf Eilrechtsschutz vom 13. August 2021 zu sehenden Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Juli 2021 in der Fassung des Bescheides vom 2. September 2021 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht ergehen kann.
Rechtlicher Maßstab für die Beurteilung des vorliegenden Antrages ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Denn die in dem Bescheid vom 21. Juli 2021 in der Fassung des Bescheides vom 2. September 2021 verlautbarte Verrechnung iSd § 52 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) vollzieht sich in der Form eines Verwaltungsaktes (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 7. Februar 2012 - B 13 R 85/09 R - juris - Rn 40; BSG - GrS - vom 31. August 2011 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4).
Der Widerspruch des Antragstellers hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG jedoch ua bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG ist indes nicht einschlägig (was zur Folge hätte, dass nur die aufschiebende Wirkung der - hier noch nicht erhobenen - Anfechtungsklage entfällt, nicht aber die des noch nicht abschließend beschiedenen Widerspruchs). Die „Anforderung von Beiträgen (…) einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten“ iSd § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfasst nicht nur die Geltendmachung einer Geldforderung, sondern alle Verwaltungsakte, die zur Realisierung des behördlichen Anspruchs auf Beiträge, Umlagen bzw öffentliche Abgaben ergehen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl § 86a Rn 13a; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht ≪LSG≫, Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 5 R 17/11 B ER - juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. März 2016 - L 1 R 471/15 B ER - juris; aA LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Juni 2016 - L 3 R 394/15 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2009 - L 21 B 1829/08 R ER - juris, wonach § 86a Abs. 2 Nr 3 SGG einschlägig sei). Die Verrechnung iSv § 52 SGB I stellt keine Herabsetzung oder Entziehung der Rentenleistung iSv § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG dar, sondern führt zur Erfüllung des geschuldeten Anspruchs auf Rentenzahlung im Umfang der Verrechnung (§§ 52, 51 SGB I, § 389 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫; vgl auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO Rn 14).
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch - wie hier - keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über diese Anordnung hat das Gericht zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen. Wegen des mit dem Verwaltungsakt verbundenen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen hat diese Abwägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Die für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist insoweit eine adäquate Ausprägung dieser Garantie und ein fundamentaler Grundsatz öffentlich-rechtlicher Streitverfahren in Anfechtungssachen. Allerdings gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist daher ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über j...