Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Zulässigkeit. unrichtiger Ausspruch über Nichtzulassung der Berufung. berechtigtes Interesse an der Aufhebung des unrichtigen Ausspruchs über die Nichtzulassung der Berufung. keine analoge Anwendung von § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG. Kostenentscheidung. Sozialgerichtliches Verfahren: Nichtzulassung der Berufung. Nichtzulassungsbeschwerde nach fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung trotz gesetzlich bestehender Berufungsmöglichkeit. Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung. Wert des Beschwerdegegenstands. Auskunftsbegehren. Rechtsschutzbedürfnis. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift über die Zulassung der Berufung in § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG gilt ausschließlich bei Klagen, die lediglich eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung zum Gegenstand haben. Wurde mit einer Klage ein darüber hinausgehendes Ziel verfolgt (hier: Auskunfts- und Feststellungsanträge), so ist die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil ohne Einschränkung zulässig.

2. Hat ein erstinstanzliches Gericht im Urteil festgestellt, dass die Berufung nicht zugelassen wird, obgleich die Berufung im konkreten Fall von Gesetzes wegen möglich ist, so scheitert eine dennoch vom Rechtsmittelkläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde nicht am fehlenden Rechtschutzbedürfnis.

3. Wurde gegen ein Urteil des Sozialgerichts, gegen das die Berufung eröffnet ist, aufgrund einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung eine nicht gebotene Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, so kann diese Beschwerde nicht in Anwendung des § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG in eine Berufung umgedeutet werden.

 

Normenkette

SGG §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 145 Abs. 5 S. 1, § 66 Abs. 2 S. 1, § 67

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2010 lehnte der Beklagte, der ausweislich der Beschwerdeschrift alleiniger Beschwerdegegner ist, ihren Antrag auf Erstattung ihrer Auslagen in Höhe von 232,05 € “für die vom Beklagten veranlasste Übersetzung ihres Scheidungsurteils„ ab. Mit ihrer zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt sie, ihr Übersetzungskosten in Höhe von 232,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 10. Juni 2008 zuzüglich einer Pauschale in Höhe von 20 € für Kopier- und Portokosten zu gewähren und festzustellen, dass der Beklagte künftig verpflichtet sei, ihr die für eingeforderte Unterlagen notwendigen Aufwendungen zu erstatten und die geforderte Qualität der einzureichenden Beweismittel bzw. Beweisurkunden bereits bei Anforderung zu bezeichnen. Mit Urteil vom 28. September 2011 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung dafür, dass das Urteil gegebenenfalls mit der Nichtzulassungsbeschwerde anzugreifen sei, ausgeführt: Die Berufung sei nicht zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750 € nicht übersteige. Sie habe auch nicht zugelassen werden müssen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung habe, noch das Urteil von einer obergerichtlichen Entscheidung abweiche.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet; sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts über die Nichtzulassung der Berufung. Denn die Berufung ist kraft Gesetzes nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Klage ausschließlich Leistungen betrifft, die dem vorgenannten Leistungskatalog zuzuordnen sind. Ist daneben ein weiteres Begehren Streitgegenstand, welches nicht eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung sondern eines sonstige behördliche Handlung betrifft, findet § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG hingegen keine Anwendung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144, Rn 9b). Hiervon ausgehend ist das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Berufung zulassungsbedürftig ist. Denn neben ihrem auf die Gewährung von Geldleistungen gerichteten Begehren beantragt die Klägerin jedenfalls auch die Feststellung, dass der Beklagte künftig verpflichtet ist, die geforderte Qualität der einzureichenden Beweismittel bzw. Beweisurkunden bereits bei Anforderung zu bezeichnen. Für ein solches Auskunftsbegehren, welches weder eine konkrete Geldleistung noch eine Dienst- oder Sachleistung betrifft, gilt § 144 Ab...

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