Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Ermittlung des Hilfebedarfs unter Berücksichtigung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Anrechnung von Weihnachtsgeld. Einkommensanrechnung bei monatlich schwankenden Einkünften
Orientierungssatz
1. Bei der Anrechnung von Arbeitseinkommen auf den Hilfebedarf im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende sind Zahlungen aus Weihnachtsgeld und ähnliche einmalige Leistungen im Folgemonat ihres Zuflusses als Einkommen zu berücksichtigen.
2. Auch wenn das Arbeitseinkommen eines Grundsicherungsempfängers monatlichen Schwankungen unterliegt, ist bei der Anrechnung dieses Einkommens auf den Hilfebedarf kein Durchschnittswert aus den Gesamteinkünften im Bewilligungszeitraum zu bilden, sondern in jedem Monat das in diesem tatsächlich zugeflossene Einkommen zu berücksichtigen.
3. Einzelfall zur Ermittlung des Hilfebedarfs im Rahmen der Grundsicherungsleistungen bei Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. November 2012 bis 30. April 2013 und um Erstattung solcher aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachten Leistungen.
Die im August 1970 geborene Klägerin zu 1, der im Januar 1966 geborene Kläger zu 2, der im Januar 2003 geborene Kläger zu 3 und die im Dezember 2007 geborene Klägerin zu 4 bewohnen eine ca. 73,90 qm große Wohnung in einem Gebäude mit einer Gesamtwohnfläche von 3.377 qm in der Nzeile in B, die mit Zentralheizung und Zentralwarmwasserversorgung ausgestattet ist und mittels Fernwärme beheizt wird. Die Gesamtmiete betrug ab 1. September 2012 806,11 Euro monatlich (362,11 Euro Nettokaltmiete, 210 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 234 Euro Heizkostenvorauszahlung).
Die Klägerin zu 1 übt seit 21. September 2011 eine Beschäftigung bei L, EL mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 13 Stunden aus. Das monatlich gleich hohe Arbeitsentgelt ist im laufenden Monat fällig.
Der Kläger zu 2 übt seit 29. August 2011 eine Beschäftigung bei der A GmbH mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden aus. Das monatlich nicht gleich hohe Einkommen ist am 15. Banktag des Folgemonats fällig.
Für die Kläger zu 3 und 4 wurde Kindergeld jeweils in Höhe von 184 Euro monatlich gezahlt.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2012 gewährte der Beklagte den Klägern auf deren Antrag auf Weiterbewilligung Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2012 bis 30. April 2013 vorläufig in Höhe von 640,04 Euro monatlich (für die Klägerin zu 1: 51,69 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 171,00 Euro für Unterkunft und Heizung, für den Kläger zu 2: 51,70 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 171,00 Euro für Unterkunft und Heizung, für den Kläger zu 3: 104,34 Euro für Unterkunft und Heizung, für die Klägerin zu 4: 90,31 Euro für Unterkunft und Heizung). Er berücksichtigte als Einkommen laufendes Einkommen aus Arbeitnehmertätigkeit bei der Klägerin zu 1 von 325 Euro (brutto = netto) und beim Kläger zu 2 von 1162,59 Euro brutto und 936,22 Euro netto sowie bei den Klägern zu 3 und 4 jeweils Kindergeld von 184 Euro. Im Bescheid wird ausgeführt: “Ihr Einkommen unterliegt monatlichen Schwankungen.„ Deswegen sei ein Durchschnittseinkommen zu berücksichtigen. “In Ihrem Fall wurde das Durchschnittseinkommen der Monate April 2012 bis August 2012 aus der Beschäftigung bei A zugrunde gelegt.„
Mit Änderungsbescheid vom 24. November 2012 setzte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. April 2013 mit 665,04 Euro monatlich (für die Klägerin zu 1: 60,09 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 171,00 Euro für Unterkunft und Heizung, für den Kläger zu 2: 60,08 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 171,00 Euro für Unterkunft und Heizung, für den Kläger zu 3: 108,38 Euro für Unterkunft und Heizung, für die Klägerin zu 4: 94,49 Euro für Unterkunft und Heizung) neu fest. Er verfügte, dass die in diesem Zusammenhang ergangenen Bewilligungsentscheidungen insoweit zum 1. Januar 2013 aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 SGB X). Als Begründung wurde die Neufestsetzung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2013 angegeben. Im Bescheid ist nach der Rechtsbehelfsbelehrung und der Unterzeichnung und vor den Berechnungsbögen ausgeführt: “Soweit Ihnen die Leistungen bisher vorläufig (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 SGB III) bewilligt wurden, bleibt die Vorläufigkeit bestehen.„
Die Klägerin zu 1 erhielt vom 1. November 2012 bis 30. April 2013 ein Arbeitsentgelt von 325 Euro (brutto = netto) monatlich.
Dem Kläger zu 2 wurde Arbeitsentgelt wie folgt gezahlt:
|
Im Monat |
Brutto |
SV-Brutto |
Netto |
November 2012 |
1.107,18 Euro |
1.095,45 Euro |
882,89 Euro |
Dezember 2012 |
1.362,88 Euro |
1.299,45 Euro |
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