Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. fehlender Anordnungsgrund. Zumutbarkeit des Abwartens einer Entscheidung in der Hauptsache. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Sicherstellung der Bedarfsdeckung durch den Pflegevertrag. Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Übernahme weiterer Kosten. Definition neuer Bedarfe durch die Einführung des Wohngruppenzuschlags in § 38a SGB 11. Einzelfallprüfung
Orientierungssatz
1. Das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache darüber, ob der Sozialhilfeträger zur Übernahme weiterer Kosten für notwendige Pflegeleistungen verpflichtet ist, ist dem Hilfebedürftigen zumutbar, wenn die Deckung des notwendigen Pflegebedarfs über den Pflegevertrag sichergestellt ist.
2. Die Einführung des Wohngruppenzuschlags in § 38a SGB 11 kann nicht dahin gedeutet werden, dass damit automatisch neue Bedarfe iS der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB 12, die über die Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen und den Pflegevertrag individuell für den Betroffenen konkretisiert waren, definiert wurden.
3. Es muss im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob entsprechende Bedarfe, die speziell auf die Inanspruchnahme der Hilfen in der Wohnform der Wohngruppe zurückgehen, bereits bei der Bedarfsdeckung berücksichtigt waren.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2014 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt in der Sache, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, weitere Leistungen zur Hilfe der Pflege nach §§ 61 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - zu gewähren, wobei sie sich bei der Bemessung der Kostenübernahme gegen die Anrechnung der Leistungen für einen Wohngruppenzuschlag nach § 38a Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI - wendet.
Die 1935 geborene Antragstellerin wohnt in einem Zimmer der ambulant betreuten Wohngruppe „V J“ (WG). Mit ihr wohnen in der WG weitere Menschen, die von einem Pflegedienst gepflegt werden. Die Antragstellerin selbst erhält eine pflegerische Versorgung in der WG durch den Pflegedienst „Häusliche Krankenpflege J & S GbR“ (Beigeladene zu 1) in B aufgrund des Vertrages über die ambulante pflegerische Versorgung vom 3. Juni 2010 (Pflegevertrag). Mit diesem Vertrag ist u.a. vereinbart, dass die Beigeladene zu 1) der Antragstellerin Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Krankenversicherung erbringt. Aus den weiteren Bestimmungen ergibt sich, dass auch Leistungen zu Lasten des Antragsgegners erbracht werden. Festgelegt ist, dass Leistungsumfang und Vergütung sich nach der vereinbarten Beschreibung der Leistungen und dem Berechnungsbogen, der dem Pflegevertrag als Anlage beigefügt ist, richten. Dabei werden bewilligte Leistungen der sozialen Kranken- und Pflegeversicherungen oder anderer Sozialleistungsträger vom Pflegedienst unmittelbar mit diesen abgerechnet. Die verbleibenden Eigenanteile, die der Pflegebedürftige zu tragen habe, sollen im Berechnungsbogen gesondert ausgewiesen und dem Pflegebedürftigen in Rechnung gestellt werden. Die Entgeltverzeichnisse in der jeweilig gültigen Fassung der Vereinbarungen der Beigeladenen zu 1) mit den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern sind Bestandteil des Vertrages. Ab dem 1. März 2013 ist der Antragstellerin seitens der Pflegekasse (Beigeladene zu 2) ein pauschaler Wohngruppenzuschlag in Höhe von monatlich 200,00 Euro für eine von der Antragstellerin benannte Präsenzkraft in der WG bewilligt worden. Ausgeführt wird mit dem Bewilligungsschreiben vom 3. Juni 2013, dass diese Pflegekraft in der Wohngruppe organisatorische, verwaltende oder pflegerische Tätigkeiten übernehme. Unter dem 18. Juli 2013 hat die Antragstellerin mit der Beigeladenen zu 1) eine Vereinbarung über Organisations- und Verwaltungsleistungen in Wohngemeinschaften abgeschlossen (Vereinbarung vom 18.07.2013). Für die darin bezeichneten Leistungen hat sich die Antragstellerin gegenüber der Beigeladenen zu 1) zur Zahlung von monatlich 150,00 Euro verpflichtet. In der Vereinbarung ist u.a. geregelt, dass die Antragstellerin die Beigeladene zu 1) über den Umfang des Pflegevertrages hinaus mit organisatorischen und verwaltenden Tätigkeiten lt. einer Anlage zum Vertrag beauftragt. Die Vereinbarung kann unabhängig vom Bestand des Pflegevertrages vom Pflegekunden ohne Einhaltung einer Frist mit sofortiger Wirkung gekündigt werden, wobei in diesem Fall eine monatsanteilige Vergütung geschuldet wird. Mit der Anlage zu dieser Vereinbarung wird ausgeführt:
„Leistungen nach Ziff. 2 der Vereinbarung über Organisations- und Verwaltungsleistungen in Wohngemeinschaften sind je nach Bedarf im Einzelfall:
|
• |
|
Unterstützung bei Ein- und Auszug; |
|
• |
|
Kommunikation mit dem Vermieter; |
|
• |
|
Organisation von Telefon- und Fernsehanschluss; |