Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgung. MfS. Zuständigkeit des Versorgungsträgers. Überführungsbescheid und Verwaltungsakt bei Feststellung "Entgelt nach AAÜG". Rechtskraft des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999, 1 BvL 11/94, auch weiterhin. Die Verhinderung der Übernahme der aus politischen Gründen vorgenommenen rentenrechtlichen Begünstigung hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR ins Rentenrecht der Bundesrepublik durch § 7 AAÜG ist verfassungsmäßig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch auf Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte kann ausschließlich gegenüber dem Rentenversicherungsträger, nicht jedoch gegenüber dem Versorgungsträger bestehen.

2. Der Versorgungsträger hat nicht die Befugnis, Arbeitsentgelte in Form von Jahreshöchstwerten, sei es die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 3 oder die besondere Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 6 AAÜG, verbindlich festzustellen. Im Rahmen der §§ 6 und 7 AAÜG sind gerade keine (begrenzten) Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen, sondern lediglich die Daten festzustellen, aus denen der Rentenversicherungsträger die maßgebenden zugrunde zu legenden Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen erkennen kann. Die in § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG genannte Beitragsbemessungsgrenze ist keine versorgungs-, sondern eine rentenversicherungsspezifische Tatsache, die einer Mitteilung an den Rentenversicherungsträger nicht bedarf. Das zweite AAÜG- Änderungsgesetz hat an dieser Rechtslage nichts geändert.

3. Soweit der Versorgungsträger in einem Bescheid nach § 8 Abs. 2 AAÜG die sich aus Anlage 6 AAÜG ergebenden Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen ausweist, handelt es sich grundsätzlich um Mitteilungen, also nicht um Verwaltungsakte. Trifft der Versorgungsträger in Überschreitung der ihm durch § 8 Abs. 1 S. 1 und 2 und Abs. 2 AAÜG eingeräumten Kompetenz in einem solchen Bescheid eine Verfügung, dass auch die dort ausgewiesenen Arbeitsentgelte nach Anlage 6 AAÜG verbindlich sind, ist wegen § 8 Abs. 5 S. 2 der Rentenversicherungsträger an diese Entscheidung (ebenfalls) gebunden, solange der Versorgungsträger diesen (rechtswidrigen) Verwaltungsakt nicht zurückgenommen hat.

4. Die Entscheidung des BVerfG im Urteil vom 28.04.1999 – 1 BvL 11/94 (abgedruckt in BVerfGE 100, 138 = SozR 3-8570 § 7 Nr. 1) steht der Berücksichtigung höherer Durchschnittsverdienste für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem SV-MfS/AfNS als in § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG vorgesehen entgegen. Sie entfaltet weiterhin Rechtskraft, weil neue rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragenden Feststellungen nicht vorliegen. Das Gutachten des Brandenburgischen Instituts für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung e.V. (biab) von Juni 2008 über die “Einkommensentwicklung und Einkommensstrukturen der hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Vergleich zu Segmenten des sog. X-Bereichs Nationale Volksarmee (NVA) und Ministerium des Innern (MdI) und zur Volkswirtschaft” weist keine neuen rechtserheblichen Tatsachen gegen die tragenden Feststellungen im Urteil des BVerfG vom 28.04.1999 – 1 BvL 33/95 aus, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

 

Orientierungssatz

1. § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i. d. F. vom 27.07.2001 durch das 2. AAÜG-ÄndG ist verfassungsgemäß, soweit das maßgebende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen für die Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR - Amtes für nationale Sicherheit (SV-MfS/AfNS) auf den jeweiligen Durchschnittsverdienst im Beitrittsgebiets begrenzt wird.

2. Das Urteil des BVerfG vom 28.04.1999 - 1 BvR 1070/02 -, das durch die Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG umgesetzt worden ist, entfaltet weiter Rechtskraftwirkung. Eine erneute Überprüfung der Vorschrift ist nach dem Beschluss des BVerfG vom 22.06.2004 - 1 BvL 33/95 - zulässig, sofern neue rechtserhebliche Tatsachen gegen tragende Feststellungen des BVerfG nach der früheren Entscheidung entstanden sind.

3. Tragende Feststellung des BVerfG-Urteils vom 28.04.1999 war, dass die Angehörigen des MfS/AfNS zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der DDR weit überwiegend höheres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten haben, als andere Arbeitnehmer mit vergleichbarer Qualifikation und Leistung. Diese Feststellung wird durch das Gutachten des Brandenburgischen Instituts für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung e.V. (biab) vom Juni 2008 nicht erschüttert, sondern im Wesentlichen bestätigt.

 

Normenkette

AAÜG § 8 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, 5 S. 2, §§ 6-7

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der im Zeitraum vom 16. Mai 1969 bis 17. März 1990 während der ...

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