Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. Ermittlung der unangemessenen Verfahrensdauer. regelmäßige Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts. zusätzliche Überlegungs- und Bearbeitungszeit von einem Monat bei Einreichung umfangreicher Schriftsätze. Zusammenrechnung der Vorbereitungs- und Bedenkzeit von beiden Instanzen. Übertragung nicht verbrauchter Vorbereitungs- und Bedenkzeit auf die zweite Instanz
Orientierungssatz
1. Eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (vgl BSG vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R = SozR 4-1720 § 198 Nr 4).
2. Bei einem Ausgangsverfahren über zwei Instanzen kann insgesamt eine regelmäßige Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 24 Monaten in Ansatz gebracht werden, auch wenn eine Instanz seine zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit nicht aufgebraucht hat.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 9 KR 2/13 geführten Verfahrens. Dem rechtskräftig abgeschlossenen Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 9. Juni 2011 erhob die Klägerin durch Rechtsanwalt (RA) S vor dem Sozialgericht (SG) Berlin „wegen Erhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung“ Klage gegen den Bescheid der BKK A. aus Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 und teilte mit, dass die Klagebegründung und die Antragstellung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten blieben.
In dem unter dem Aktenzeichen S 81 KR 1276/11 registrierten Verfahren übersandte das SG am 16. Juni 2011 der Beklagten des Ausgangsverfahrens die Klage zur Kenntnisnahme, forderte von der Klägerin die Begründung binnen vier Wochen an und verfügte die Wiedervorlage nach sechs Wochen.
Die Beklagte legt am 27. Juni 2011 ihre Verwaltungsakte vor.
Die 210. Kammer des SG forderte am 7. Juli 2011 unter dem Aktenzeichen S 210 KR 1295/11 die Gerichtsakte an und fügte ein Schreiben der Klägerin vom 27. Juni 2011 bei, in dem mitgeteilt wurde, dass der Rechtsstreit irrtümlich zwei Aktenzeichen erhalten habe.
Unter dem 14. Juli 2011 entsprach das SG der Aktenanforderung und verfügte die Wiedervorlage nach einem Monat.
Die Klägerin selbst beantragte am 27. Juli 2011 die Verlängerung der Frist zur Begründung um einen Monat.
Die 210. Kammer reichte die Akten am 2. August 2011 zurück.
RA S teilte am 15. August 2011 mit, dass er die Klägerin nicht mehr vertrete.
Das SG forderte unter dem 23. August 2011 die Gerichtsakte zum Verfahren S 210 KR 1295/11 an und notierte eine Frist zur Wiedervorlage von einer Woche.
Mit Faxschreiben vom 19. August 2011 regte die Klägerin selbst an, das zur selben Angelegenheit bestehende Verfahren vor dem SG Berlin S 84 KR 177/11 „zusammenzufassen“ und bezog sich zur Begründung ihrer Klage vollumfänglich auf ihren Antrag und die Begründung in jenem Verfahren.
Das SG verfügte unter dem 5. September 2011 die Wiedervorlage nach zwei Wochen, verlängerte die Wiedervorlagefrist am 27. September 2011 um einen Monat und forderte am 10. November 2011 unter Verfügung einer Wiedervorlage nach einem Monat die Akten der 210. Kammer nochmals an.
Auf die Aktenanforderung der 90. Kammer des SG (S 90 SO 2340/11 ER) übersandte das SG am 18. November 2011 die Akten unter Notierung einer Frist von einem Monat.
Die Gerichtsakte ging am 20. Dezember 2011 wieder ein. Das SG verfügte sieben Tage später eine Wiedervorlage nach zwei Wochen.
Auf die Aktenanforderung der 111. Kammer des SG (S 111 KR 177/11) vom 3. April 2012 übersandte das SG zwei Tage später die Gerichtakte dorthin und verfügte die Wiedervorlage nach einem Monat.
Die Gerichtsakte ging am 14. Mai 2012 wieder ein.
Am 11. Mai 2012 zeigten die RAe M die Vertretung der Klägerin an und beantragten Akteneinsicht auch in die Gerichtsakte, welche mit Schreiben vom 31. Mai 2012 genehmigt wurde und am 6. Juni 2012 durch Mitnahme erfolgte.
Die vom SG unter dem 26. Juni 2012 angeforderte Klagebegründung binnen eines Monats ging am 30. Juli 2012 ein und wurde dem Beklagten am 3. August 2012 zur Stellungnahme übersandt, welche am 13. August 2012 einging.
Unter dem 23. August 2012 erteilte das SG rechtliche Hinweise und bat die Beteiligten um Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Es setzte intern eine Frist zur Wiedervorlage von einem Monat.
Die Beklagte erklärte sich am 31. August 2012 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Die Klägerin erklärte sich am 10. September 2012 hiermit ebenfalls einverstanden und stellte auf den Hinweis des SG klar, dass sich die Klage „selbstverständlich“ auch gegen die Pflegekasse richte.
Das SG korrigi...