Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten bei Ausbildungsförderung. Nichtvorliegen einer abstrakten Förderungsfähigkeit bei Teilzeitstudium
Orientierungssatz
Ein Teilzeitstudium ist gem § 2 Abs 5 S 1 BAföG von der Ausbildungsförderung ausgeschlossen, sodass der Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungsausschluss gem § 7 Abs 5 SGB 2 nicht greift.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2013 aufgehoben.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2011 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit ab 1. März 2011 bis zum 31. Oktober 2011.
Die 1978 geborene, an Epilepsie leidende Klägerin beantragte bei dem Beklagten am 28. Februar 2011 SGB II-Leistungen. Sie absolvierte zu diesem Zeitpunkt und auch während des streitbefangenen Zeitraums einen weiterbildenden Masterstudiengang Gesundheitswissenschaften/Public Health an der C-Universitätsmedizin B als Teilzeitstudium mit hälftiger Studienleistung. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) lehnte das Studentenwerk B wegen einer Zweitausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG ab (Bescheid vom 11. Januar 2011). Während des in Rede stehenden Zeitraums bezog die Klägerin ein monatlich zufließendes Entgelt als studentische Hilfskraft iHv 395,28 €; ferner unterstützten sie ihre Eltern mit darlehensweise gewährten Zahlungen für Wohn-, Krankenversicherungs- und Medikamentenkosten. Die Kosten der von der Klägerin bewohnten Ein-Zimmer-Wohnung (29,56 m²) beliefen sich auf monatlich 325,- € (Nettokaltmiete = 250,- € zzgl Vorauszahlung für kalte Betriebskosten iHv 25,- € zzgl Vorauszahlung für Heizung und - zentral erzeugtes - Warmwasser iHv 50,- €).
Der Beklagte lehnte die Gewährung von SGB II-Leistungen mit Bescheid vom 14. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2011 ab mit der Begründung, dass das Studium, welches die Klägerin wegen ihrer Erkrankung voll in Anspruch nehme, dem Grunde nach förderungsfähig nach dem BAföG sei. Die Nichtgewährung von BAföG-Leistungen folge aus Gründen in der Person der Klägerin.
Die Klage auf SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011 blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts - SG - Berlin vom 20. Februar 2013). Das SG hat zur Begründung im Wesentlichen auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid des Beklagten Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Ein Anspruch auf SGB II-Leistungen sei nicht nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen, weil die von ihr durchlaufene Ausbildung als Teilzeitstudium - anders als bei einem Vollzeitstudium - dem Grunde nach gerade nicht nach dem BAföG förderungsfähig sei.
Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin 20. Februar 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakten des Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, mit der sie bei verständiger Würdigung (vgl § 123 SGG) ihren erstinstanzlich gestellten Antrag auf SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011 weiter verfolgt, ist begründet. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Leistungen nach den §§ 20, 22 SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum vom 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011. Insbesondere war sie trotz ihrer Epilepsieerkrankung erwerbsfähig iSv § 8 Abs. 1 SGB II, denn sie wa...