Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenersatz bei Doppelleistungen. Anspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Leistungsberechtigten bei Leistung des vorrangig verpflichteten Rentenversicherungsträgers in Unkenntnis der Leistung des Sozialhilfeträgers. Wiederherstellung des Nachrangs der Sozialhilfe. vorwerfbares Verhalten des Leistungsberechtigten oder des Sozialhilfeträgers

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Kostenersatz gemäß § 105 SGB XII setzt nur voraus, dass ein Erstattungsanspruch gegenüber dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger gemäß § 104 SGB X wegen einer befreienden Zahlung infolge Unkenntnis der Leistung des Trägers der Sozialhilfe nicht besteht. Auf ein vorwerfbares Verhalten des Leistungsberechtigten oder des Trägers der Sozialhilfe kommt es nicht an.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.02.2022; Aktenzeichen B 8 SO 1/20 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. August 2017 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, durch den der Beklagte vom Kläger Kostenersatz gefordert hat.

Der im Februar 1947 geborene Kläger bezog seit 1997 aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Daneben erhielt er ergänzend Leistungen der Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts, seit 2005 in Gestalt von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (im Folgenden: Grundsicherung) nach dem Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII). Der tatsächliche monatliche Zahlbetrag der laufenden Leistungen lag in der Zeit von Januar 2008 bis März 2012 bei 479,05 € bis 527,59 €, mit Ausnahme der Monate Juli 2009 (kein Leistungsbezug), Dezember 2009 und November 2011 (660,03 € bzw. 1.067,78 €). Der Bedarf für Kosten der Unterkunft ohne Kosten für Heizung und Warmwassererzeugung lag im selben Zeitraum regelmäßig bei 220,20 €, ausgenommen die Monate Juli 2009 (kein Leistungsbezug) sowie Februar und Dezember 2009 und November 2011 (241,55 € bzw. 364,48 € bzw. 774,38 €).

Wegen Erreichens der Regelaltersgrenze (§ 235 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch [SGB VI]) bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd (im Folgenden: DRV) als Träger der Rentenversicherung dem Kläger ab 1. April 2012 Regelaltersrente mit einem laufenden Zahlbetrag von anfangs 263,35 € (6,-- € mehr als der letzte Zahlbetrag der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit). Den Rentenbescheid vom 13. April 2012 übersandte der Kläger dem Beklagten Anfang Mai 2012. Dieser änderte daraufhin die laufende Bewilligung für Leistungen der Grundsicherung mit Wirkung ab 1. April 2012, stellte für die Monate April und Mai 2012 eine Überzahlung von insgesamt 12,-- € fest und verrechnete diese mit der laufenden Zahlung für den Monat Juni 2012 (Bescheid vom 9. Mai 2012).

In einem Rechtsstreit gegen den Beklagten, in dem er sich gegen die leistungsmindernde Berücksichtigung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 gewandt hatte (Az. SG Berlin S 51 SO 2416/11), hatte der Kläger unterdessen in einem Schreiben vom 2. April 2012 mitgeteilt, dass es zwar nur um einen monatlichen Differenzbetrag von 2,53 € gehe. Es sei aber mit einer Rentennachzahlung zu rechnen, weil in der bisherigen Rentenberechnung Ausbildungszeiten nicht berücksichtigt worden seien. Hierzu reichte er unter anderem zwei Schreiben der DRV ein und führte aus, es stimme was nicht, wenn die zu erwartende Nachzahlung unverzüglich an das Sozialamt bezahlt werden solle. Dieses Schreiben wurde dem Beklagten vom Sozialgericht am 11. April 2012 übersandt.

Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Mai 2012 wandte sich der Kläger gegen die Verrechnung der 12,-- € und den laufenden Abzug von 6,-- €. Er vertrat auch hier die Auffassung, dass eine Rentenerhöhung nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden dürfe. Es handle sich um Schonvermögen zur Bekämpfung der Altersarmut.

Am 13. Juni 2012 teilte der Kläger dem Beklagten eine Rentennachzahlung in Höhe von 4.594,68 € für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. März 2012 mit. Er schlage vor, nach Abzug eines Schonvermögens von 2.000,-- € Schulden zurückzuzahlen sowie Gebrauchsgegenstände, Medikamente und Lebensmittel zu kaufen.

Dieselbe Mitteilung machte er am 14. Juni 2012 in dem Rechtsstreit SG Berlin S 51 SO 2416/11, in dem die Klage zwischenzeitlich durch Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2012 abgewiesen worden war. Hier reichte er zusätzlich die erste Seite des Bescheides der DRV vom 4. Juni 2012 ein, ausweislich dessen die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit neu festgestellt worden und die Nachzahlung auf das Konto des Klägers überwiesen worden war. Dieses Schreiben übersandte das Sozialgericht dem Beklagten am 20. Juni 2012.

Am 18. Juni 2012 meldete der Kläger gegenüber der DRV per Telefax einen Erstattungsanspruch an.

Durch Bescheid ebenfalls vom 18. Juni 2012 forderte er vom Kläger Kostenersatz in ...

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