Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Honorarstreit. gesonderte Anfechtbarkeit der Zuweisung eines Individualbudgets. Bindung an bestandskräftig gewordene Festsetzung. keine Klagebefugnis im nachfolgenden Honorarstreitverfahren. § 44 Abs 1 SGB 10 auf vertragsärztliches Honorar nicht anwendbar
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zuweisung eines Individualbudgets war als der Honorarfestsetzung vorangehende eigenständige Regelung gesondert anfechtbar. Aus dieser gesonderten Anfechtbarkeit folgt, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines Individualbudgets hat bestandskräftig werden lassen, an diese Festsetzung gebunden ist und im nachfolgenden Honorarstreitverfahren nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen kann (vgl BSG vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 1).
2. § 44 Abs 1 SGB X ist auf vertragsärztliches Honorar nicht anzuwenden, weil dieses keine Sozialleistung darstellt (vgl BSG vom 22.6.2005 - B 6 KA 21/04 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 6).
Normenkette
SGB X § 44 Abs. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. November 2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Neubescheidung ihrer Honoraransprüche für die Quartale II/05 bis IV/08. Die Beteiligten streiten darum, ob die insoweit erhobenen Widersprüche durch einen Vergleich erledigt sind.
Die Klägerin ist Augenärztin und seit 14. Januar 1993 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/99 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2001 führte die Klägerin das Klageverfahren S 71 KA 241/01. Gegenstand dieses Klageverfahrens war die Höhe bzw. Erweiterung des ihr für den Bereich Orthoptik und Pleoptik zustehenden Zusatzbudgets.
Im Laufe dieses Klageverfahrens bat die Klägerin die Beklagte in einem Schreiben vom 2. April 2001, “(ihre) Widersprüche gegen die Honorarbescheide Quartale IV/97 bis IV/98 sowie II/99 bis III/00 und alle künftig noch folgenden Widersprüche ruhen zu lassen, bis über den Widerspruchsbescheid für das Quartal I/99 sozialgerichtlich entschieden wurde„.
Nachdem die Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2003 darauf hingewiesen hatte, dass “eine erneute Überprüfung der Gewährung des Zusatzbudgets Orthoptik und Pleoptik im Hinblick auf eine Erweiterung angezeigt sein könnte„, schlossen die Beteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich, in dem die Beklagte sich verpflichtete, über die Höhe des Zusatzbudgets Orthoptik und Pleoptik für das Quartal I/99 “nach Einreichung weiterer Unterlagen durch die Klägerin„ erneut zu entscheiden.
Die Neubescheidung erfolgte durch Bescheid der Beklagten vom 11. April 2003. Darin lehnte die Beklagte eine Erweiterung des Zusatzbudgets Orthoptik und Pleoptik für das Quartal I/99 ab. Eine von der Typik einer augenärztlichen Praxis deutlich abweichende Ausrichtung liege bei der Klägerin nicht vor, denn der Anteil der Leistungen im Bereich Orthoptik und Pleoptik an der Gesamtpunktzahlanforderung betrage nur 8,73 Prozent. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2008 bestätigte die Beklagte diese Entscheidung. Sinn und Zweck von Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B des EBM stünden einer Erweiterung des Zusatzbudgets ebenso entgegen wie die Festlegungen der Vertreterversammlung zu den Kriterien für das Vorliegen eines Praxisschwerpunkts (10%-Grenze).
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage (S 83 KA 114/08, später S 22 KA 114/08) hat die Klägerin das Ziel verfolgt, die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Erweiterung der Zusatzbudgets Orthoptik und Pleoptik erneut zu entscheiden.
In der Zwischenzeit hatte die Klägerin gegen sämtliche Honorarbescheide der Quartale II/05 bis IV/08 Widerspruch eingelegt. Eine Begründung dieser Widersprüche erfolgte nicht. Allerdings erklärte die Klägerin mit jedem Widerspruch wortgleich: “Gemäß meinem Schreiben vom 2.4.2001 bitte ich Sie, diesen Widerspruch ruhen zu lassen, bis über den Widerspruchsbescheid für das Quartal 1/1999 sozialgerichtlich entschieden wurde.„
Zu einer streitigen Entscheidung des Verfahrens S 83 KA 114/08 kam es nicht, denn die Beteiligten einigten sich außergerichtlich auf einen am 11. September 2009 abgeschlossenen Vergleich, der lautete:
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1. |
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Der Klägerin wird für die Quartale IV/97 bis II/03 eine Erweiterung des Zusatzbudgets Orthoptik/Pleoptik in dem aus der Anlage zu diesem Schreiben (Spalte “FPZ-Erhöhung„) ersichtlichen Umfang und eine daraus resultierende Nachvergütung gewährt. |
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2. |
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Die Erweiterung des Zusatzbudgets hat keine Auswirkungen auf die Höhe des Individualbudgets der Klägerin in den Quartalen III/03 bis IV/08. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die noch offenen Widersprüche gegen die Honorarbescheide für diese Quartale hinsichtlich der Höhe des Individualbudgets erledigt sind. |
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3. |
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Die Kosten für die Rechtsstreitigkeiten S 83 KA 114/08 und S 71 KA 102/08 tragen die Beteiligte... |