Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindererziehungszeit. überwiegende Erziehung. Zuordnung zum Vater. Verfassungsmäßigkeit. Erziehungsanteile. Erziehungsbeiträge. übereinstimmende Erklärung: Erziehungstätigkeit. Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie. Familienlastenausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 56 Abs 2 S 9 SGB 6, wonach die Kindererziehungszeiten voll demjenigen Elternteil zustehen, der das Kind überwiegend erzogen hat, verstößt nicht gegen Art 3 GG.

 

Orientierungssatz

Sind die Erziehungsanteile entweder gleichwertig oder besteht keine Klarheit einer überwiegenden Erziehung ist nach § 56 Abs 2 S 8 SGB 6 die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen (vgl BSG vom 16.12.1997 - 4 RA 60/97 - SozR 3-2600 § 56 Nr 10). § 56 Abs 2 S 8 SGB 6 verstößt ebenfalls nicht gegen Art 3 und Art 6 Abs 1 GG.

 

Normenkette

SGB VI §§ 56, 54 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 4, §§ 57, 74 S. 4, §§ 249, 177 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6; BGB § 1626 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.04.2008; Aktenzeichen B 13 R 131/07 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu erstatten. Im Übrigen findet ein Kostenausgleich nicht statt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung von Ausbildungs- und Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten. Er ist im April 1948 geboren und begann seine Berufsausbildung mit einer Lehre von April 1965 bis März 1968 zum Industriekaufmann. Anschließend besuchte er von April 1968 bis Mai 1969 das Wirtschaftsgymnasium und studierte vom 1. Oktober 1969 bis 31. Oktober 1972 an der Akademie bzw. Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg mit dem Abschluss Betriebswirt. Danach studierte er von Oktober 1972 bis November 1980 Rechtswissenschaften. Dem schloss sich das Rechtsreferendariat an. Seit 1987 ist er als selbständiger Rechtsanwalt tätig.

Die Beigeladene und der Kläger waren von 1979 bis November 2000 verheiratet und sind die Eltern der am 1979 geborenen C P und des 1983 geborenen P P.

Die Beklagte erkannte die Kindererziehungszeiten vom 1. September 1979 bis 31. August 1980 sowie die Kinderberücksichtigungszeiten vom 2. August 1979 bis 1. August 1989 für die Tochter sowie die Kindererziehungszeiten vom 1. März 1983 bis 29. Februar 1984 und Kinderberücksichtigungszeiten vom 26. Februar 1983 bis 30. November 1992 für den Sohn zugunsten der Beigeladenen an.

Sie merkte für den Kläger mit Bescheiden vom 18. Juni 1982, 16. Dezember 1982 und 31. Juli 1986 die Zeiten vom 5. April 1964 bis 30. September 1969 als Ausfallzeiten wegen Schulausbildung und die Zeiten vom 1. Oktober 1969 bis 15. Dezember 1977 als Ausfallzeiten wegen Hochschulausbildung vor.

Im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens anlässlich der Scheidung führte die Beklagte auf Antrag des Klägers vom 14. Juli 2000 eine Kontenklärung durch. Mit Bescheid vom 9. August 2000 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf für Zeiten vom 1. April 1965 bis zum 31. Dezember 1993 fest. Sie lehnte die Bewertung der Zeit vom 5. April 1964 bis zum 31. März 1965 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung ab, weil die Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei.

Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2001 zurück. Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben. Er hat im laufenden Klageverfahren die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für seine Kinder beantragt (Antrag vom 25. März 2002). Die Beklagte hat dies mit Bescheid vom 12. Juni 2002 abgelehnt. Eine gemeinsame Erklärung der Eheleute könne im Jahr 2002 wegen Fristablaufes nicht mehr wirksam abgegeben werden. Eine Alleinerziehung durch den Kläger läge nach Aktenlage nicht vor. Im Übrigen seien die Erziehungszeiten bereits im Versicherungskonto der Mutter anerkannt worden.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er habe seine Kinder überwiegend erzogen. Diese hätten immer bei ihm gelebt.

Er hat vorgebracht, § 56 Sozialgesetzbuch VI. Buch (SGB VI) sei verfassungswidrig.

Die Ausbildungszeit vom 5. April 1964 bis 31. März 1965 sei bereits in den Bescheiden von 1982 und 1986 vorgemerkt gewesen. Auch habe es sich bei seiner Ausbildung an der Akademie bzw. Hochschule für Wirtschaft und Politik nicht um eine Hochschul- sondern eine Fachschulausbildung gehandelt.

Die Beigeladene hat ebenfalls behauptet, sie habe die Kinder überwiegend erzogen. Der Kläger habe überwiegend gearbeitet und für den Unterhalt der Familie gesorgt.

Das SG hat zur Frage, wer die Kinder überwiegend erzogen habe, den Sohn P P als Zeugen vernommen.

Es hat die Klage mit Urteil vom 29. September 2005 abgewiesen. Die Verpflichtung der Beklagten, die Daten für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen für einen möglichen späteren Leistungsfall durch schriftlichen Verwaltungsakt verbindlich festzustellen...

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