Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Anspruch auf Erstattung der Vorverfahrenskosten. anhängiges Klageverfahren. kein Abwarten der Kostenentscheidung durch das Gericht. vorliegende bestandskräftige begünstigende Kostengrundentscheidung der Behörde

 

Orientierungssatz

Ein Anspruch auf Erstattung der Vorverfahrenskosten gem § 63 SGB 10 gegenüber dem Sozialleistungsträger besteht trotz erhobener Klage und trotz des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung bereits vor Abschluss des Klageverfahrens bzw der Kostenentscheidung des Gerichts, wenn eine bestandskräftige, begünstigende Kostengrundentscheidung der Behörde vorliegt.

 

Normenkette

SGB X § 63 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3 S. 1; SGG §§ 77, 193 Abs. 1 S. 3, Abs. 2

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.10.2016; Aktenzeichen B 14 AS 50/15 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind die Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Dem 1952 geborenen Kläger und seiner seinerzeit mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden, im März 2012 verstorbenen Ehefrau bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2011 - wegen Einkommens aus einer Beschäftigung des Klägers vorläufig - Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012. Dem Kläger wurden Leistungen in Höhe von monatlich 444,24 Euro (302,- Euro Regelleistung, 142,24 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU)) bewilligt. Der Beklagte berücksichtigte ein fiktives monatliches Einkommen des Klägers in Höhe von 165,- Euro, von dem nach Abzug aller Freibeträge 52,- Euro monatlich auf die Bedarfe des Klägers und seiner Ehefrau angerechnet wurden. Wegen höheren Einkommens änderte der Beklagte den Bescheid vom 26. Juli 2011 mit Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2011 insoweit ab, als er dem Kläger und seiner Ehefrau ab Dezember 2011 bis Februar 2012 nur noch Leistungen in geringerer Höhe weiter vorläufig bewilligte. Dem Kläger bewilligte er KdU für Dezember 2011 in Höhe von 117,13 Euro und ab Januar 2012 in Höhe von monatlich 136,13 Euro. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 13. Februar 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen und zwar für Januar 2012 KdU in Höhe von 125,18 Euro und für Februar 2012 KdU in Höhe von 129,80 Euro.

Für Februar 2012 setzte der Beklagte dem Kläger gegenüber die Leistungen mit Bescheid vom 8. März 2012 in Höhe von 123,92 Euro (KdU) endgültig fest und verfügte einen Erstattungsbetrag von 12,21 Euro. Hiergegen legte der anwaltlich vertretene Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 half der Beklagte diesem Widerspruch überwiegend ab und minderte den Erstattungsbetrag um 10,- Euro auf 2,21 Euro (Aktenzeichen W ). Der Beklagte verfügte, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen in Höhe von 82 vom Hundert auf Antrag erstattet würden und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 18. Juli 2012 Klage erhoben mit dem Begehren, die Erstattungsforderung zu reduzieren und die vollständige Erstattung der Kosten des Vorverfahrens zu erlangen. Das Klageverfahren wird bei dem Sozialgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen S 40 AS 4191/12 geführt, welches mit Beschluss vom 6. März 2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat. Das Verfahren ruht auch aktuell.

Parallel hat der Kläger mit Schreiben vom 14. Juli 2012 bei dem Beklagten für das Widerspruchsverfahren W die Festsetzung und Auszahlung der Kosten des Vorverfahrens in Höhe von 309,40 Euro (Geschäftsgebühr 240,- Euro; Pauschale für Post und Telekommunikation 20,- Euro; 19 Prozent Umsatzsteuer 49,40 Euro) beantragt.

Mit Bescheid vom 1. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2013 hat der Beklagte den Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig verworfen. Der Kläger mache in dem Klageverfahren S 40 AS 4191/12 auch die vollständige Erstattung der Kosten des Vorverfahrens geltend. Sobald ein Gerichtsverfahren gegen einen Widerspruchsbescheid anhängig sei, dürfe die Behörde keine Kostenentscheidung mehr nach § 63 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erlassen. Das Gericht entscheide einheitlich nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch über die Kosten des Vorverfahrens. Das betreffe auch die Kostenfestsetzungsentscheidung.

Der am 11. März 2013 erhobenen und auf Erstattung von 253,70 Euro gerichteten Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 24. September 2013 stattgegeben und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Beklagte habe mit seinem Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 bindend entschieden, dass dem Kläger 82 Prozent der Kosten des Vorverfahrens erstattet würden. Daran sei auch das Gericht gebunden, das diese Kostenentscheidung nicht zuungunsten des Kläger...

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