Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Rentner. dauernder Auslandsaufenthalt. Beitragsnachforderung. Befugnis des Rentenversicherungsträgers zur Feststellung einer Beitragsschuld für die gesetzliche Krankenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Pflichtversicherte der deutschen Krankenversicherung, die dauerhaft ihren Wohnsitz im Ausland genommen haben, sofern für dieses Ausland ein Sozialversicherungsabkommen besteht, haben die Beiträge an die deutsche Krankenversicherung erst dann zu zahlen, wenn sie im Ausland auch tatsächlich berechtigt und faktisch in der Lage sind, Sachleistungen entgegen zu nehmen (vgl BSG vom 4.6.1991 - 12 RK 52/90 = BSGE 69, 20 = SozR 3-2200 § 381 Nr 2).

2. Eine Beitragsfeststellung darf grundsätzlich nur durch denjenigen Sozialversicherungsträger erfolgen, der auch Inhaber der Beitragsforderung ist; anderenfalls bedürfte es einer eindeutig hiervon abweichenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die § 255 Abs 2 S 1 SGB 5 nicht enthält.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.03.2017; Aktenzeichen B 12 R 6/14 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts wie folgt neu gefasst wird:

Der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2010 wird aufgehoben, soweit darin festgestellt ist, dass der Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 3.546,48 Euro schuldet.

Die Beigeladene hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Krankenversicherungsbeiträgen.

Der im Jahre 1954 geborene Kläger bezieht von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er hatte jedenfalls im hier streitbefangenen Zeitraum seinen Wohnsitz in der Türkei. Nachdem er zunächst im Jahre 2000 in die T gezogen war, kehrte er im Jahre 2004 vorübergehend nach Deutschland zurück und verlegte sodann im Jahre 2005 wieder seinen Wohnsitz in die T.

Während des gesamten Zeitraumes wurde er durchgängig als versicherungspflichtiges Mitglied der beigeladenen Krankenkasse geführt. Eine Abführung von Krankenversicherungsbeiträgen erfolgte jedoch nicht. Seit dem 01. November 2006 ist der Kläger bei dem türkischen Krankenversicherungsträger eingeschrieben und erhält von dort auch Sachleistungen. Ebenfalls seit diesem Zeitpunkt entrichtet die Beigeladene an den türkischen Sozialversicherungsträger die nach Abkommensrecht vorgesehenen Pauschalbeträge.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2010, der zugleich ein Rentenbescheid war, und Widerspruchsbescheid vom 14. April 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Einbehaltung von Krankenversicherungsbeiträgen in der Vergangenheit zu Unrecht unterblieben sei, und verlangte von dem Kläger dem Grunde nach eine Nachzahlung der Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 3.546,48 Euro für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010. Für die Zeit vor dem 01. Januar 2006 machte die Beklagte ausdrücklich keine Krankenversicherungsbeiträge mehr geltend, weil insoweit Verjährung eingetreten sei.

Auf die hiergegen zum Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 16. August 2011 die angefochtenen Bescheide im Hinblick auf den vorgenannten Nachzahlungsbetrag von 3.546,48 Euro aufgehoben. Zwar bestehe die Beitragsforderung dem Grunde nach, sie sei auch nicht verjährt, doch es seien die engen Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt. Der Kläger habe im Juni 2004 eine neue Versicherungskarte von der Beigeladenen erhalten, ohne dass diese dies zum Anlass genommen habe, die Beitragszahlung des Klägers zu überprüfen. Des Weiteren habe der Kläger im Juli 2004 das Formblatt R 810 ausgefüllt und der Beklagten übersandt, ohne dass in der Folgezeit erneut Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) einbehalten worden wären. Schließlich sei die Erwartung in der Folgezeit dadurch bestätigt worden, dass die Beigeladene in einer dem Kläger ausgehändigten Bescheinigung am 04. Oktober 2006 bestätigt habe, dass der Kläger in der KVdR krankenversichert sei, ohne jedenfalls nunmehr die Entrichtung der Beiträge zu überprüfen. Dieses dreimalige Absehen von der Geltendmachung der Beitragsforderung habe bei dem Kläger die berechtigte Erwartung geweckt, dass keine Beiträge geltend gemacht würden.

Gegen dieses ihr am 23. August 2011 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 06. September 2011 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, die Voraussetzungen der Verwirkung seien nicht erfüllt.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beklagte stellt keine Anträg...

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