Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung bei selbstständiger Tätigkeit. Betriebseinnahmen von monatlich unter 400 Euro. Abzug von Betriebsausgaben. Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Fahrtkosten. Grundfreibetrag
Orientierungssatz
1. Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte sind nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 Buchst b SGB 2 zu berücksichtigen, mithin weder als notwendige Betriebsausgaben unmittelbar vom Einkommen abzusetzen noch als Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung gemäß § 11b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2 (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 19.9.2016 - L 18 AS 441/16).
2. Zu den mit der Erzielung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit verbundenen notwendigen Ausgaben nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 2 gehören die regelmäßigen Fahrten von der Wohnung zur "Betriebsstätte" und zurück. Diese Fahrten sind also, obwohl es sich auch um Betriebsausgaben handelt, dem "privaten Bereich" zuzuordnen und gelten regelmäßig als von dem pauschalen Absetzbetrag nach § 11b Abs 2 S 1 SGB 2 (mit)erfasst (vgl BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 31/13 R = SozR 4-4225 § 3 Nr 5). Nur die notwendigen Ausgaben für darüber hinausgehende Fahrten sind gegebenenfalls als weitere Betriebsausgaben zu berücksichtigten.
3. Da vorliegend ein monatliches Einkommen von weniger als 400 Euro in Rede steht, gelten die hier nicht als Betriebsausgaben absetzbaren Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte sowie die Fahrtkosten mit dem Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 S 1 SGB 2 abgegolten.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. September 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2012 bleibt hiervon unberührt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres als das ihr endgültig bewilligte Arbeitslosengeld II (Alg II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis zum 30. November 2011 und wendet sich insoweit gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten.
Die 1969 geborene, alleinstehende Klägerin ist seit 2006 als Rechtsanwältin selbstständig tätig. Nachdem sie bereits im vorherigen Bewilligungsabschnitt Alg II bezogen hatte, beantragte sie am 20. Mai 2011 Leistungen für den eingangs genannten Streitzeitraum. Auf der Grundlage der Angaben der Klägerin bewilligte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 24. Mai 2011 vorläufig Alg II für den streitigen Zeitraum in Höhe von monatlich 692,33 Euro (Regelbedarf 314,33 Euro; Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) 378,- Euro). Der Beklagte ging dabei von einem monatlichen Einkommen von 162,09 Euro aus, von dem er nach Bereinigung um die entsprechenden Freibeträge 49,67 Euro monatlich anrechnete.
Im Januar 2012 reichte die Klägerin bei dem Beklagten abschließende Angaben zu ihrem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit zu den Akten. Danach hatte sie im streitigen Zeitraum Betriebseinnahmen in Höhe von insgesamt 33.462,96 Euro erzielt bei Betriebsausgaben von insgesamt 31.889,99 Euro, woraus sich ein Gewinn von 1.572,97 Euro ergab.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2012 - überschrieben mit „Änderung zum Bescheid vom 24.05.2011 (…)“ bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis zum 30. November 2011 endgültig Alg II In Höhe von monatlich 448,11 Euro. Dabei ging er von einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen von 479,17 Euro aus, sodass sich nach Abzug der gesetzlichen Freibeträge ein Anrechnungsbetrag von 293,89 Euro ergab. Mit weiterem Bescheid vom 9. Februar 2012 verlangte der Beklagte von der Klägerin die Erstattung von insgesamt 1.465,32 Euro (monatlich 244,22 Euro).
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie einen höheren Abzug von Betriebsausgaben begehrte. Namentlich seien abzusetzen Kosten für eine Telefonanlage einschließlich eines Technikers, Fahrtkosten und monatliche Pflichtbeiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Letztere seien in voller Höhe direkt vom Einkommen abzusetzen und nicht im Grundfreibetrag enthalten.
Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2012 gab der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin teilweise statt, als er auch Ausgaben für die Installierung der Telefonanlage als Betriebsausgabe berücksichtigte. Hieraus, so der Beklagte, ergebe sich eine Reduzierung der Erstattungsforderung auf 593,58 Euro (monatlich 98,93 Euro). Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Im streitigen Zeitraum sei ein Gewinn von insgesamt 1.714,51 Euro festzustellen gewesen. Daraus ergebe sich ein monatliches Einkommen von 285,75 Euro. Ausgaben für Fahrtkosten (Sozialticket) könnten nicht als Ausgaben anerkannt und berücksichtigt werden. Weder sei eine rein betriebliche Nutzung oder Anschaffung belegbar, noch sei nachvollziehbar, warum ein vergünstigtes Ticket für Hilfeempfänger bei der Klägerin...