Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Erforderlichkeit eines Umzuges. Lärmbelästigung. Begrenzung der Unterkunftskosten nach nicht erforderlichem Umzug. Abschluss Mietvertrag als maßgeblicher Zeitpunkt für die Hilfebedürftigkeitsbeurteilung. Stadtgebiet Berlin als räumlicher Vergleichsbereich
Orientierungssatz
1. Ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund für die Erforderlichkeit eines Umzugs iS des § 22 Abs 2 S 2, Abs 1 S 2 SGB 2 kann nicht anerkannt werden, wenn eine behauptete zu hohe Lärmbelästigung in der bisherigen Wohnung nicht durch substantiierten Vortrag zur Art der Lärmquelle und zur Frage, ob der Lärm das Maß des Üblichen in einer Großstadt überschritten hat, gestützt wird.
2. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft nach einem kostenerhöhenden Umzug iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 ist nicht der Zeitpunkt des Umzugs, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages (Anschluss an BSG vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R = BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40 und vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R = BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35).
3. Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB 2 sind nach einem Umzug über die Grenzen des kommunalen Vergleichsraums hinaus nicht auf die Aufwendungen am bisherigen Wohnort begrenzt (vgl BSG vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R = BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35). Bei einem Umzug innerhalb der Stadtgrenzen von Berlin findet die Regelung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 aber Anwendung, da als maßgeblicher räumlicher Vergleichsbereich bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten gem § 22 SGB 2 das gesamte Stadtgebiet anzusehen (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 42 und 13.4.2011 - B 14 AS 32/09 R).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 31. Juli 2008.
Die 1973 geborene Klägerin bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg in Höhe von 539,02 € monatlich (347,- € Regelleistung + 192,02 € KdU). Am 31. Oktober 2007 schloss die Klägerin mit der C RS GmbH einen befristeten Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 1. November 2007. Das Nettoarbeitentgelt in Höhe von 679,67 € für den Monat November 2011 wurde der Klägerin am 11. Dezember 2007 auf ihr Konto überwiesen (Kontostand am 10. Dezember 2007: - 94,72 €). Am 22. November 2007 schloss die Klägerin zum 28. November 2007 einen Untermietvertrag über Wohnraum in der Wohnung K, B mit einer monatlichen Miete i.H.v. 310,- €, ohne zuvor eine Zusicherung des Grundsicherungsträgers eingeholt zu haben. Zum 21. Dezember 2007 kündigte die Klägerin ihre Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen. Das JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg gewährte der Klägerin für die Monate November und Dezember 2007 weiter Leistungen nach dem SGB II, hob die entsprechende Bewilligungsentscheidung jedoch mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 7. Oktober 2008 auf.
Am 15. Januar 2008 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die ihr mit Bescheid vom 22. Februar 2008 für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2008 in Höhe von monatlich 539,02 € (347,- € Regelleistung + 192,02 € KdU) gewährt wurden. Ein Änderungsbescheid vom 17. April 2008 wegen der Erzielung eines geringfügigen Einkommens betraf allein die Höhe der Regelleistung. Ein Teilaufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Mai 2008 hinsichtlich des Zeitraumes 1. März bis 30. April 2008 wurde seinerseits mit Bescheid vom 25. Juli 2008 aufgehoben.
Der gegen den Bescheid vom 22. Februar 2008 erhobene Widerspruch der Klägerin, mit dem sie vortrug, die Miete der neuen Wohnung sei nicht berücksichtigt worden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2008).
Im Klageverfahren hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 22. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2008 zu verurteilen, ihr für die Kosten der Unterkunft im Zeitraum 1. Februar 2008 bis 31. Juli 2008 weitere 117,98 € monatlich zu bewilligen. Mit Urteil vom 28. April 2010 hat das Sozialgericht (SG) Berlin unter Zulassung der Berufung die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme höherer KdU. Der Umzug sei nicht erforderlich gewesen. Das erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte pauschale Vorbringen der Klägerin, das häusliche Umfeld der alten Wohnung sei zu laut gewesen, sei nicht geeign...