Entscheidungsstichwort (Thema)

Sanktion des Grundsicherungsträgers bei Eintritt einer vom Träger der Arbeitslosenversicherung festgestellten Sperrzeit

 

Orientierungssatz

1. Der zugelassene kommunale Träger der Grundsicherung ist an Weisungen der Bundesagentur für Arbeit nicht gebunden.

2. Nach bindender Feststellung einer Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit steht dem Grundsicherungsträger bei der Sanktionierung nach §§ 31, 31a SGB 2 - Minderung des Arbeitslosengeldes 2 - kein eigenes Prüfungsrecht hinsichtlich der Voraussetzungen für den Eintritt der Sperrzeit zu. Die Regelung ist verfassungsgemäß.

3. Dem Gesetzgeber steht bei der Ausgestaltung der Leistungen nach dem SGB 2 ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es ist nicht geboten, die Dauer der Sperrzeit und den Minderungszeitraum gleichlauten zu lassen.

4. Auch aus Art. 3 GG ergibt sich keine Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung der Regelung des § 31 Abs. 1 S. 1 SGB 2 im Anwendungsbereich einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB 2.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. November 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer von dem Beklagten für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. Januar 2013 festgestellten Minderung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -.

Der im März 1961 geborene, erwerbsfähige Kläger, der seit 2005 (mit Unterbrechungen) im Leistungsbezug des Beklagten stand, nahm ab 16. Januar 2012 eine bis zum 30. Oktober 2012 befristete Beschäftigung auf. Auf seinen Leistungsantrag vom 25. Juni 2012 bewilligte ihm der Beklagte für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. Januar 2013 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II (für August bis einschließlich November 2012 i.H.v. 69,05 Euro und für die Monate Dezember 2012 und Januar 2013 i.H.v. 652,17 Euro monatlich) und berücksichtigte Bedarfe in Höhe der Regelleistung (374,00 Euro monatlich), für Kosten der Unterkunft und Heizung (insgesamt 278,17 Euro monatlich) und in den Monaten August bis November 2012 einsetzbares Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.H.v. 583,12 Euro (Bescheid vom 25. Juni 2012).

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 bewilligte ihm die die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld nach dem SGB III (Alg I) für die Zeit ab 1. November 2012 für 240 Kalendertage i.H.v. 17,03 Euro täglich = 510,90 Euro als Vorschuss und stellte zugleich für die Zeit vom 1. November 2012 bis 7. November 2012 wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I Nr. 69) - SGB III aF. - eine Sperrzeit fest.

Mit Bescheid vom 15. November 2012 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger eine Minderung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2013 i.H.v. 30 v.H. des maßgebenden Regelsatzes (112,20 Euro für die Monate November und Dezember 2012 und um 114,60 Euro für den Monat Januar 2013) fest (Sanktionsbescheid). Nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II liege eine Pflichtverletzung vor, wenn beim erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe oder erloschen sei, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit nach den Vorschriften des SGB III festgestellt habe. Mit dem Bescheid vom 29. Oktober 2012 sei eine Sperrzeit wegen einer Pflichtverletzung gemäß § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB III aF. festgestellt worden, womit eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vorliege, die zu einer Sanktion führe. Der Minderungszeitraum ergebe sich aus § 31b Abs. 1 S. 3 SGB II.

Mit Aufhebung- und Rückforderungsbescheid vom 15. November 2012 hob der Beklagte unter Bezugnahme auf das Einkommen aus dem Alg I-Bezug und die festgestellte Sanktion die gewährten Leistungen für den Monat November 2012 auf und forderte einen Betrag von 69,05 Euro zur Erstattung. Für November 2012 bestehe aufgrund des Einkommens aus dem Alg I-Bezug (391,61 Euro) und aus Erwerbstätigkeit (877,52 Euro) kein Leistungsanspruch (mehr).

Mit Teilaufhebungs- und Änderungsbescheid vom 15. November 2012 stellte der Beklagte die für die Monate Dezember 2012 und Januar 2013 gewährten Leistungen unter Berufung auf die festgestellte Sanktion, die ab Januar 2013 geänderte Höhe der Regelleistung und unter Hinweis auf die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse neu unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens aus dem Alg I-Bezug in Höhe von 510,90 Euro i.H.v. 29,07 Euro für den Monat Dezember 2012 und 34,67 Euro für den Monat Januar 2013 fest. Er forderte zu Unrecht gewährte Leistungen i.H.v. 623,10 Euro bzw. 617,50 Euro zur Erstattung.

Am 23. November 2012 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 15. November 2012. Er sei immer seinen Verpflichtungen gegenü...

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