Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Erstattung des den Festbetrag übersteigenden Eigenanteils für ein selbstbeschafftes Hörgerät durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Dem Versicherten steht bei der notwendigen Versorgung mit einem Hörgerät ein Wahlrecht hinsichtlich des in Anspruch zu nehmenden Rehabilitationsträgers zu. Sucht er dazu einen Hörgeräteakustiker auf, so gilt dieser als Repräsentant sowohl des Trägers der Krankenversicherung als auch der Rentenversicherung. Mit der Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung einer Hörhilfe beim Hörgeräteakustiker besteht aus Sicht des Versicherten ein der Krankenkasse zurechenbarer Rechtsschein der Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für Leistungsanträge i. S. einer geduldeten passiven Stellvertretung. Aufgrund des selbst gesetzten Rechtsscheins muss sich die Krankenkasse als eine zur Antragsentgegennahme zuständige Stelle i. S. des § 16 Abs. 2 SGB 1 behandeln lassen (Anschluss BSG Urteil vom 30. 10. 2014, B 5 R 8/14 R).
2. Hat die Krankenkasse den Festbetrag übernommen, so ist sie zur Erstattung des darüber hinaus vom Versicherten geleisteten Eigenanteils nicht verpflichtet, wenn der Versicherte den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Hat sich der Versicherte unter erklärter Inkaufnahme eines Eigenanteils für den angepassten Gerätetyp entschieden, bevor er den hierzu erforderlichen Leistungsantrag bei der Krankenkasse gestellt hat und hat er dieser eine Frist für die Leistungsbewilligung nicht gestellt, so ist die Krankenkasse zur Erstattung des den Festbetrag übersteigenden Eigenanteils nicht verpflichtet.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Versorgung der Klägerin mit Hörgeräten.
Die Klägerin ist 1989 geboren. Bei ihr besteht eine angeborene und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits bei einem Grad der Behinderung von 50 (Merkzeichen RF). Sie ist bei der Beklagten renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Seit September 2009 absolvierte sie eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten beim B.
Mit der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe der HNO-Fachärztin Dr. F vom 27. Mai 2011, wobei als Kostenträger die Beigeladene eingetragen war, wandte sich die Klägerin an die Firma K (nachfolgend: Hörgeräteakustiker). Der Hörgeräteakustiker erstellte am 19. Juli 2011 eine Versorgungsanzeige wegen der beidohrigen Folgeversorgung der Klägerin mit Hörgeräten. Eine erste Hörgeräteanpassung unter Berücksichtigung eines Ton- und Sprachaudiogrammes vom 29. Juli 2011 fand am 8. August 2011 unter Berücksichtigung verschiedener Gerätetypen (davon zwei eigenanteilsfreie und zwei Geräte mit Eigenanteil) statt. Ausweislich des Hörprotokolls vom 9. Dezember 2011 und des Abschlussberichts zur Hörsystemversorgung des Hörgeräteakustikers vom selben Tag, worauf wegen des Inhalts jeweils verwiesen wird, wurde für die beidohrige Versorgung der Klägerin der Hörgerätetyp KINDalera 7 HS WL ausgewählt. Die HNO-Fachärztin Dr. G bescheinigte unter dem 10. Januar 2012 auf dem entsprechenden Verordnungsvordruck die Zweckmäßigkeit des Gerätes, und die Klägerin erklärte am 6. Februar 2012, die verordnete Hörhilfe erhalten zu haben; sie hätte sich laut “Eingangsbestätigung des Versicherten„ vom selben Tag für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden und sei mit der Zahlung von Mehrkosten einverstanden. Der Hörgeräteakustiker übersandte der Beigeladenen die vorgenannten, die Hörgeräteversorgung bei der Klägerin betreffenden Dokumente, ohne dass seitens der Beigeladenen ein Eingangsdatum vermerkt worden wäre, und stellte der Klägerin für die Hörgeräteversorgung unter dem 10. Februar 2012 Kosten in Höhe von 3.157,- € in Rechnung. Von diesen Kosten waren Kassenanteile für die zwei Hörgeräte und die Reparaturkostenpauschale bereits abgezogen worden. Den Betrag zahlte die Klägerin eigenen Angaben zufolge am 15. August 2012.
Am 15. Februar 2012 hatte die Klägerin bei der Beigeladenen einen schriftlichen Antrag (vom 10. Februar 2012) auf Übernahme der vollen Kosten für die digitalen Hörgeräte unter Bezugnahme auf ein Attest der Ärztin Dr. G vom 12. Januar 2012, auf das wegen des Inhalts Bezug genommen wird, gestellt. Die Beigeladene, die sich für unzuständig hielt, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt würden, leitete diesen Antrag am 16. Februar 2012 an die Deutsche Rentenversicherung Bund weiter. Jene leitete den Antrag an die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg und diese an die Beklagte weiter, bei der der Antrag am 8. März 2012 einging. Am 21. Februar 2012 hatte die Klägerin darüber hinaus bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die den Antrag an die Beklagte weiterleitete, schriftlich die Übernahme der über dem Festbetrag liegenden Kosten für die Hör...