Entscheidungsstichwort (Thema)

Nettokaltmiete. Kalte Betriebskosten. Heizkostenvorauszahlung. Bundesweiter Heizkostenspiegel

 

Orientierungssatz

1. Bei einem 7-Personenhaushalt, der Grundsicherungsleistungen bezieht, ist im Land Berlin von einer angemessenen Wohnfläche von bis zu 120 qm bei einem Quadratmeterpreis von nettokalt bis zu 4,55 Euro auszugehen.

2. Die Geltendmachung einer Nachforderung aus Betriebskostenabrechnung durch einen Vermieter im Mietverhältnis eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende stellt in Bezug auf den Grundsicherungsbedarf eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, der eine Abänderung der Bewilligungsentscheidung rechtfertigen kann.

3. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Nachforderung aus Betriebskostenabrechnung im Rahmen der Grundsicherungsleistungen ist nicht die Nachforderung isoliert zu prüfen. Vielmehr sind die Gesamtaufwendungen im Abrechnungszeitraum der Angemessenheitsprüfung zugrunde zu legen.

4. Einzelfall zur Bestimmung der Angemessenheit von Mietnebenkosten als Teil der Kosten der Unterkunft im Rahmen der Grundsicherungsleistung.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 7 Abs. 1 S. 1; BGB § 556; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2013 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2010 verurteilt, den Klägern unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 28. Februar 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. August 2008, 24. November 2008 und 30. Dezember 2008 für den Monat August 2008 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 295,45 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUuH) aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2007 vom Monat August 2008.

Die Kläger zu 1. und 2. sind die Eltern der in den Jahren 1998, 2000, 2002, 2003 und 2007 geborenen Kläger zu 3. - 7., die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen.

Die Kläger zogen zum 01. August 2006 in die 110,25 m² große 3 1/2-Zimmer-Wohnung in der S Straße, B, im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Laut Mietvertrag war für die Wohnung eine Bruttowarmmiete von 805,00 Euro zu entrichten (Grundmiete 520,38 Euro, Betriebskosten 212,05 Euro, Heizkosten 43,56 Euro, Warmwasserkosten 14,24 Euro, Aufzug 11,89 Euro, Kabelfernsehen 2,88 Euro). Der Betriebskostenvorschuss betrug 212,05 Euro, die Vorauszahlung für die Umlage für Heizung und Warmwasser betrug monatlich 57,80 Euro (Heizung: 43,56 Euro, Warmwasser: 14,24 Euro). Ab dem 01. Januar 2007 war eine Gesamtmiete von 829,46 Euro und ab dem 01. August 2007 eine Gesamtmiete von 851,51 Euro zu zahlen. Ab dem 01. Januar 2008 betrug die Gesamtmiete 860,46 Euro einschließlich der unverändert gebliebenen Nebenkosten.

Das zuvor örtlich zuständige Job Center Berlin-Neukölln erachtete den Umzug wegen fristloser Kündigung der bisherigen Wohnung als erforderlich, hielt aber die Kosten für unangemessen hoch, da für einen 6-Personenhaushalt lediglich KdUuH i.H.v. 755,00 Euro angemessen seien, die es für August und September 2006 den Klägern gewährte.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11. April 2007, mit Bewilligungsbescheid vom 11. April 2007, dieser in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. August 2007, sowie mit weiteren Bewilligungsbescheiden vom 28. August 2007 und vom 28. Februar 2008, dieser in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. August 2008 und vom 24. November 2008, gewährte das nunmehr zuständige Jobcenter Berlin-Mitte - Beklagter - den Klägern SGB II-Leistungen für die Zeiträume vom 01. Oktober 2006 bis zum 31. März 2007, vom 01. April bis zum 30. September 2007, vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008, vom 01. April bis zum 30. September 2008. Hierbei berücksichtigte der Beklagte zunächst KdUuH i.H.v. 726,50 Euro, dann ab Juli 2007 bis einschließlich September 2008 KdUuH von 722,58 Euro (470,38 Euro Grundmiete, 29,30 Euro Heizkosten, 226,82 Euro Nebenkosten/sonstige Kosten).

Laut Nebenkostenabrechnung 2007 der GBAU vom August 2008 entfiel auf die Kläger ein Anteil an den Nebenkosten von 399,45 Euro, der sich zusammensetzte aus kalten Betriebskosten 60,34 Euro, Heizung 334,49 Euro, Warmwasseraufbereitung 150,40 Euro, Aufzug 47,03 Euro, Kabelgebühren 21,93 Euro.

Mit Bescheid vom 26. August 2008 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger vom 17. August 2008 auf Übernahme des Betrags von 399,45 Euro aus der Nebenkostenabrechnung 2007 sowie auf Anerkennung der Mieterhöhung ab dem 01. Januar 2008 ab, da die Kläger die Wohnung seinerzeit ohne Zustimmung des damals zuständigen Jobcenters angemietet hätten.

Mit zwei Widerspruchsschreiben vom 18. Septembe...

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