Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung der Rechtskraft. Bindungswirkung eines rechtskräftigen Bescheidungsurteils

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Gericht einen Beklagten zur Neubescheidung verurteilt und dabei der Rechtsauffassung des Klägers nicht in vollem Umfang folgt, so kann der Kläger bei der erneuten Bescheidung mit denjenigen Einwendungen, die das Gericht in seiner für die Neubescheidung für maßgeblich erklärten Rechtsauffassung nicht berücksichtigt hat, aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftig gewordenen Urteils nicht mehr gehört werden.

 

Normenkette

SGG § 141 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.07.2017; Aktenzeichen B 6 KA 6/17 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die seit 1991 als Fachärztin für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, begehrt die Festsetzung eines höheren Individualbudgets.

Aufgrund teilweise längerer Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin in den Jahren 2001 bis 2003 und damit einhergehender niedriger Quartalsumsätze bestand zwischen den Beteiligten Streit über die Höhe des für die Zeit ab 1. Juli 2003 festzusetzenden Individualbudgets.

Die Beklagte berechnete das Individualbudget der Klägerin zunächst nach dem Durchschnitt der Quartale I bis IV/2002 und kam dabei zu durchschnittlichen Individualbudget-Umsätzen pro Quartal in Höhe von 4.234,56 Euro (Primärkassen, entsprechend 82.821 Punkten) bzw. 9.045,54 Euro (Ersatzkassen, entsprechend 176.915 Punkten).

Im Ergebnis eines hiergegen von der Klägerin angestrengten Klageverfahrens verpflichtete der Senat die Beklagte mit rechtskräftigem Urteil vom 14. November 2010 (L 7 KA 37/07), über das Individualbudget der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Senat legte seine Rechtsauffassung in den Entscheidungsgründen des Urteils u.a. wie folgt dar:

Für die Neuberechnung des Individualbudgets der Klägerin wird die Beklagte einen Abschnitt von vier Quartalen als Bemessungszeitraum heranzuziehen haben; so sieht es auch § 9 Abs. 1 HVM vor. Von vornherein untauglich wäre es daher, sich auf die Quartale I und II/2003 zu beschränken, zumal der Umsatz der Klägerin im Quartal I/2003 krankheitsbedingt noch stark unterdurchschnittlich war. Für angezeigt hält der Senat es vielmehr, das Individualbudget der Klägerin anhand der Quartale II/2000 bis I/2001 zu bemessen, denn dies sind die letzten hier zusammenhängenden repräsentativ abgerechneten Quartale vor Beginn der Erkrankung der Klägerin.

Auf der Basis des dem Senat seinerzeit vorliegenden Verwaltungsvorgangs der Beklagten und deren Angaben im Gerichtsverfahren enthielt der Tatbestand des Senatsurteils vom 14. November 2010 zur Entwicklung der Quartalsumsätze und Punktzahlvolumina in den Quartalen I/00 bis II/03 folgende Tabelle:

Quartal

Für die Berechnung des

Individualbudgets zu

berücksichtigender Umsatz

Punktzahlvolumen

(*10/0,511292)

Primärkassen

Ersatzkassen

Primärkassen

Ersatzkassen

I/2000

6.998,71 €

18.075,68 €

136.882

353.529

II/2000

7.680,30 €

20.580,22 €

150.213

402.514

III/2000

7.571,25 €

17.505,47 €

144.962

342.377

IV/2000

8.561,49 €

21.273,50 €

167.448

416.073

I/2001

8.603,63 €

18.293,94 €

168.272

357.798

II/2001

4.599,68 €

10.762,75 €

89.961

210.501

III/2001

0,00 €

0,00 €

0       

0       

IV/2001

4.460,41 €

9.869,99 €

87.238

193.040

I/2002

7.218,49 €

14.975,47 €

141.181

292.894

II/2002

0,00 €

0,00 €

0       

0       

III/2002

4.500,45 €

9.984,53 €

88.021

195.280

IV/2002

984,75 €

2.176,62 €

19.260

42.570

I/2003

4.918,99 €

9.019,71 €

96.207

196.410

II/2003

5.743,76 €

14.288,83 €

112.338

279.465

Auf der Grundlage dieses Urteils setzte die Beklagte das Individualbudget der Klägerin für den Primär- und Ersatzkassenbereich mit Wirkung vom Quartal III/03 durch Bescheid vom 23. Februar 2011 neu fest. Als Bemessungsgrundlage zog die Beklagte die Umsätze der Klägerin in den Quartalen II/00 bis I/01 heran und übernahm insoweit die im Tatbestand des Senatsurteils vom 14. November 2010 aufgeführten Umsatzzahlen:

Quartal

Für die Berechnung des

Individualbudgets zu

berücksichtigender Umsatz

Punktzahlvolumen

(*10/0,511292)

Primärkassen

Ersatzkassen

Primärkassen

Ersatzkassen

II/2000

7.680,30 €

20.580,22 €

III/2000

7.571,25 €

17.505,47 €

IV/2000

8.561,49 €

21.273,50 €

I/2001

8.603,63 €

18.293,94 €

Summe 

32.416,67 €

77.653,13 €

Durchschnittlicher

IB-Umsatz

Je Quartal

8.104,17 €

19.413,28 €

158.504

(= festgesetztes IB)

379.691

(= festgesetztes IB)

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, dass die der Festsetzung des Individualbudgets zugrunde gelegten Quartalsumsätze nicht zutreffend berechnet worden seien. In zwei Schreiben vom 29. November 2001 habe die Beklagte ihr nämlich, was unstreitig ist, mitgeteilt, dass sie aufgrund der Vertragsabschlüsse für das Jahr 2000 und des Fremdkassenzahlungsausgleic...

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