Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragsbemessung bei einem im Pflegeheim untergebrachten Sozialhilfeempfänger. Erforderlichkeit einer Satzungsbestimmung bei schwieriger Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen. Berücksichtigung von Einnahmen zum Lebensunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung bedarf es einer speziellen und konkretisierenden Satzungsregelung, wenn die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, sich hierfür verschiedene Berechnungsweisen anbieten oder dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnommen werden können.

2. In Anwendung der satzungsmäßigen Generalklausel (hier: "Arbeitsentgelt sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden könnten") dürfen der Beitragsbemessung neben den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten beitragspflichtigen Einnahmen auch andere Einnahmen zu Grunde gelegt werden, die bereits in der ständigen Rechtsprechung vom BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind; hierzu zählen etwa der Ertrag aus Kapitalvermögen, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie eine Rente aus einer privaten Unfallversicherung.

3. Das Erfordernis einer speziellen, über die Generalklausel hinausgehenden Satzungsregelung gilt (für den streitigen Zeitraum 2005 bis 2008) in besonderem Maße für die Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen von in Heimen untergebrachten Sozialhilfeempfängern, denn das Bundessozialgericht hat für diese Fallgruppe noch keine Aussage dazu getroffen, in welchem Umfange Sozialhilfeleistungen als beitragspflichtige Einnahmen zu behandeln sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.12.2011; Aktenzeichen B 12 KR 22/09 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 2007 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 4. November 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2006 sowie der Bescheid vom 29. März 2007 werden auch insoweit aufgehoben, als sie die Beiträge des Klägers zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung in der Zeit ab 16. Juni 2005 nach Einnahmen bemessen, die über der jeweiligen Mindestbeitragsbemessungsgrenze liegen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wir nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten stritten anfänglich um die Höhe der Beiträge des Klägers zur freiwilligen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung ab 1. Januar 2005. Streitgegenständlich ist im Berufungsverfahren noch der Zeitraum vom 16. Juni 2005 bis in die Gegenwart.

Der 1927 geborene Kläger steht unter Betreuung und ist (bei der Beklagten) freiwillig krankenversicherter Empfänger von Sozialhilfe nach dem SGB XII. Er lebt in einer vollstationären Pflegeeinrichtung (Haus F). Die Heimkosten betragen regelmäßig insgesamt 3.539,58 Euro monatlich; davon trägt die Pflegeversicherung (Pflegestufe II seit 1996) 1.279,00 Euro und der Beigeladene zu 2. als Sozialhilfeträger 2.260,58 Euro (im Einzelnen: Kosten der Unterkunft [KdU] und Verpflegung i.H.v. 508,50 Euro, “Investitionskosten„ i.H.v. 447,60 Euro sowie “Pflegevergütung„ und “Freihalteentgelte„). Zusätzlich erhält der Kläger vom Sozialhilfeträger einen Barbetrag in Höhe von 89,70 Euro (ab 1. Januar 2007: 93,15 Euro) monatlich.

Bis einschließlich Dezember 2004 betrug der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung monatlich 138,29 Euro, ausgehend vom 3,2-fachen des BSHG-Regelsatzes für Haushaltsvorstände (Beitragsbescheid vom 24. Juni 2003). Der Beitrag wurde pauschaliert berechnet auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Beklagten, der IKK Brandenburg-Berlin und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen mit dem Land Berlin vom 24. Januar 2002 (“Vereinbarung zur Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versicherten Sozialhilfeempfängern„).

Dem entsprach § 19 Abs. 6 der bis Ende 2004 geltenden Satzung der Beklagten, der lautete:

Für freiwillig versicherte Sozialhilfeempfänger gilt nach einer mit dem Träger der Sozialhilfe geschlossenen Vereinbarung für den Kalendermonat das 3,2-fache des für den Haushaltsvorstand jeweils geltenden Regelsatzes (§ 22 BSHG) als beitragspflichtige Einnahme nach § 240 Abs. 1 SGB V.

Die genannte Vereinbarung wurde vom Land Berlin zum 31. Dezember 2004 gekündigt, da Rechnungshof und Hauptausschuss der Auffassung waren, die Vereinbarung führe zu zu hohen Beiträgen. Die Beklagte strich daraufhin § 19 Abs. 6 ihrer Satzung mit Wirkung zum 1. Januar 2005.

In einem Schreiben vom Januar 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich an der Beitragsfestsetzung vorerst nichts ändere, sie aber ab dem 1. Januar 2005 nur vorläufig erfolge. Zukünftig müsse die Beitra...

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