Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen Wehrdienstunfall in DDR. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
Die aufgrund eines Unfalls während des Wehrdienstes in der DDR gewährte Verletztenrente ist in verfassungskonformer Auslegung des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 in demselben Umfang nicht als Einkommen zu berücksichtigen wie eine Dienstbeschädigungsteilrente.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 5. Juli 2006 und der Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2005 und des Bescheides 27. Juni 2005 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Anrechung eines Teils der Verletztenrente in Höhe von zwei Dritteln der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren. Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anrechnung einer Verletztenrente auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Der 1952 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner Ehefrau in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Die monatliche (Warm-)Miete beträgt 280,- Euro (ab Oktober 2004). Der Kläger erhielt bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 64,35 Euro. Seit Mai 1972 bezog er wegen eines am 22. Oktober 1971 im Wehrdienst bei der Volkspolizei erlittenen Unfalls Rentenleistungen. Die zunächst vom FDGB-Kreisvorstand G wegen bleibender Schädigung der linken Hand unter Festsetzung des Körperschadens auf 20 Prozent gewährte Unfallrente wird mittlerweile von der Unfallkasse Sachsen-Anhalt als Verletztenrente gemäß § 56 des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch (SGB VII) in Höhe von monatlich 215,78 Euro (Stand: Juli 2003) geleistet. Die Ehefrau des Klägers steht in einem Beschäftigungsverhältnis, aus dem sie ein regelmäßiges Arbeitsentgelt bezieht, im August 2004 in Höhe von 1.069,38 Euro brutto (entsprechend 828,50 Euro netto).
Am 25. Oktober 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Er gab an, Halter eines Kraftfahrzeuges zu sein, für das Pflichtversicherungsbeiträge in Höhe von 277,79 Euro jährlich anfallen würden, daneben unterhalte er eine erweiterte Haushaltsversicherung mit einem Jahresbeitrag von 169,31 Euro. Seine Ehefrau habe ebenfalls ein Kraftfahrzeug. Zusammen mit seiner Ehefrau halte er eine Sparanlage über 25.564,59 Euro, die ab August 2005 verfügbar sei. Durch Bescheid vom 7. Dezember 2004 bewilligte der Beklagte Leistungen von Januar bis Juni 2005 in Höhe von monatlich 125,15 Euro. Als allgemeiner Bedarf waren für den Kläger und seine Ehefrau jeweils 298,- Euro monatlich berücksichtigt worden, als Kosten der Unterkunft für beide 272,91 Euro monatlich. Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er geltend machte, dass die vorgenommene Berechnung für ihn nicht nachvollziehbar sei. Die für seinen Körperschaden gewährte Unfallrente sei nicht als Einkommen anzurechnen.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005). Die monatliche Regelleistung für die aus dem Kläger und seiner Ehefrau bestehende Bedarfsgemeinschaft betrage insgesamt 596 Euro. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung seien in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, soweit diese angemessen seien. Da in der Warmmiete auch Kosten für Warmwasser enthalten seien, müsse die Miete um eine Pauschale in Höhe von 0,15 Euro pro Quadratmeter der Wohnfläche gekürzt werden, so dass nur 272,91 Euro übrig blieben. Als Einkommen anzurechnen auf den sich ergebenden Gesamtbedarf von 868,91 Euro monatlich seien die Rente des Klägers und das Erwerbseinkommen seiner Ehefrau. Von der Verletztenrente seien monatlich 15,30 Euro für KFZ-Haftpflichtversicherung sowie 30,- Euro Versicherungspauschale abzuziehen. Das monatliche Bruttoeinkommen der Ehefrau sei zunächst um die Abzüge für Steuer und Sozialversicherung zu vermindern. Abzuziehen seien weiter 23,15 Euro für KFZ-Haftpflichtversicherung, 26,23 Euro für berufsbedingte Fahrtkosten, 15,31 Euro für sonstige Werbungskosten und 30,00 Euro Versicherungspauschale. Das so bereinigte Nettoeinkommen sei nach § 30 SGB II um einen Freibetrag von 161,53 Euro zu kürzen, so dass für die Ehefrau 572,28 Euro und für beide also insgesamt 742,86 Euro anzurechnendes Einkommen verblieben. Die Differenz zwischen Bedarf und Einkommen in Höhe von 126,15 Euro werde als Leistung gewährt.
Mit der am 13. Juni 2005 erhobenen Klage begehrt der Kläger, dass ihm Leistungen ohne Anrechnung der Unfallrente als Einkommen gewährt werden. Durch Bescheid vom 27. Juni 2005 hat der Beklagte die für Mai und Juni 2005 bewilligten Leistungen ...