Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit einer unterschiedlichen Vergütung von durch verschiedene Arztgruppen erbrachten psychotherapeutischen Leistungen
Orientierungssatz
1. Der unterschiedliche Charakter der einzelnen Arztgruppen rechtfertigt unterschiedliche Bewertungen einzelner ärztlicher Leistungen. Die unterschiedliche Mengensteuerung bei den Fachärzten für psychosomatische Medizin und Psychotherapie einerseits (zeitbezogene Kapazitätsgrenze) und den Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie andererseits (Regelleistungsvolumen) ist verfassungsgemäß. Antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen der Psychotherapeuten sind außerhalb der Regelleistungsvolumina zu vergüten.
2. Dieselbe antragspflichtige psychotherapeutische Leistung bei verschiedenen Arztgruppen darf unterschiedlich vergütet werden, sofern sachliche Gründe dies rechtfertigen (BSG Beschluss vom 28. 6. 2017, B 6 KA 6/16 R).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Höhe seines vertragsärztlichen Honorars für die Quartale I/09 bis I/10.
Der Kläger ist seit Januar 2005 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis zum 9. November 2009 war er als Facharzt für Psychotherapeutische Medizin tätig. Seit dem 10. November 2009 ist er als Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie niedergelassen.
In den fünf streitigen Quartalen erzielte er folgendes Honorar:
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Quartal |
Fallzahl |
Honorar in Euro |
Fallwert in Euro |
Verwaltungskosten in Euro |
Praxisgebühr in Euro |
Gutschrift in Euro |
I/09 |
123 |
33.739,09 |
274,30 |
472,35 |
540 |
32.726,74 |
II/09 |
147 |
34.351,85 |
233,69 |
480,92 |
600 |
33.270,93 |
III/09 |
167 |
34.634,32 |
207,39 |
484,88 |
640 |
33.509,44 |
IV/09 |
163 |
34.534,05 |
211,87 |
483,49 |
500 |
33.550,56 |
I/10 |
154 |
35.944,73 |
233,41 |
503,22 |
640 |
34.801,51 |
Gegen die Honorarbescheide in den fünf streitigen Quartalen legte der Kläger Widerspruch ein. Er rügte eine Ungleichbehandlung seiner Fachgruppe im Vergleich zur Fachgruppe der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. Behandlungsarbeit und Therapieansätze beider Fachgruppen seien weitestgehend ähnlich. Identische Leistungen unterlägen zu Lasten der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie unterschiedlicher Bewertung. Die unterschiedlichen Mengenbegrenzungen seien rechtswidrig. Im Einzelnen rügte der Kläger die Vergütung folgender Leistungen:
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Leistungsart |
Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie |
Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie |
Grundpauschale |
GOP 22211 = 17,68 Euro Prüfzeit = 16 Minuten |
GOP 21211 = 19,78 Euro Prüfzeit = 14 Minuten |
Fachärztliches Gespräch |
GOP 22221 = 8,93 Euro Prüfzeit = 10 Minuten |
GOP 21220 = 13,48 Euro Prüfzeit = 11 Minuten |
Fachärztliche Gruppenbehandlung |
GOP 22222 = 7,35 Euro pro Patient |
GOP 21222 = 13,30 Euro pro Patient |
Psychotherapeutisches Gespräch |
GOP 22220 = 10,68 Euro pro Patient, Begrenzung auf 15 mal pro Quartal |
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Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie |
GOP 35200 = 81,05 Euro Kläger: „mit Zeitbudget“ |
GOP 35200 = 81,05 Euro Kläger: „ohne Zeitbudget, zeitlich unbegrenzt“ |
Mit Bescheid vom 12. April 2011 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die punktzahlmäßige Bewertung der für die Fachgruppe des Klägers geltenden Grundpauschalen sowie fachärztlichen Gesprächsleistungen entspreche den im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) jeweils getroffenen Regelungen. Der auf § 87 SGB V beruhende EBM sei für die Beklagte verbindlich. Auch die Anwendung der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze nach Teil F Punkt 4.1 des für das jeweilige Quartal gültigen Beschlusses des (erweiterten) Bewertungsausschusses sei rechtlich beanstandungsfrei; zu einer Änderung oder Nichtbeachtung dieser Regelungen sei die Beklagte nicht befugt. Im Übrigen unterlägen auch Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, die ausschließlich psychotherapeutisch tätig seien, einer zeitbezogenen Kapazitätsgrenze.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, die Honorarbescheide verstießen gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Die honorarmäßige Besserstellung der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sei sachlich nicht gerechtfertigt. Er werde wie ein Psychotherapeut behandelt, obwohl er nicht ausschließlich psychotherapeutisch tätig sei, sondern nur im Umfange von unter 50 Prozent. Weil die psychiatrischen Gesprächsleistungen von jeglicher Budgetierung ausgenommen seien, müssten auch bei ihm die Leistungen der genehmigungspflichtigen Psychotherapie in vollem Umfang zur Auszahlung gelangen.
Die Beigeladenen haben die Unterschiede der beiden Facharztgruppen betont und meinen, diese rechtfertigten die verschiedenen Vergütungsregelungen. So lägen etwa die Praxiskosten der Psychiater im Durchschnitt deutlich höher als diejenigen der Fachgruppe des Klägers. Der Anteil psychotherap...