Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Honorarstreit. einstweiliger Rechtsschutz. Vollzugsfolgenbeseitigung. Abwälzung einer Zinslast auf den Vertragszahnarzt. Kreditkosten als Schaden. Satzungsrecht. Beitragsrecht. Verwaltungskosten
Leitsatz (amtlich)
Die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Gestalt des Aussetzungsverfahrens nach § 86b Abs 1 SGG darf nicht mit dem Risiko verbunden sein, für im Zuge der Vollzugsfolgenbeseitigung auf Seiten der die Vollstreckung betreibenden Körperschaft entstehende Zinsen zu haften; diese Koppelung verstieße gegen die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art 19 Abs 4 GG.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2009 aufgehoben; die Honorarbescheide für die Quartale IV/04 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2006 werden geändert; die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die genannten Quartale weiteres Honorar in Höhe von insgesamt 1.006,62 Euro zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen in den Honorarbescheiden IV/04 bis I/06 von der Beklagten gebuchte Zinslastschriften von insgesamt 1.006,62 Euro.
Der Kläger ist im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Da es in den Jahren von 1997 bis 1999 nicht mit allen Krankenkassen-Verbänden zum Abschluss von Gesamtvergütungsvereinbarungen gekommen war, vergütete die Beklagte die vom Kläger in den Quartalen I/97 bis IV/99 erbrachten Leistungen in dem Hauptbereich der konservierend-chirurgischen sowie der Parodontose- und Kieferbruch-Leistungen zunächst als Einzelleistungen nach (vorläufigen) Punktwerten, die sie auf der Grundlage der für das Jahr 1995 abgeschlossenen Gesamtverträge bzw. der durch das Landesschiedsamt für 1995 festgelegten Vertragsinhalte oder auf Grund von Vereinbarungen vorläufiger Gesamtvergütungen errechnet hatte. Dabei nahm sie im Hinblick auf mögliche Überschreitungen der (noch nicht abschließend festgelegten) Gesamtvergütungen Einbehalte in Höhe von 10 Prozent des Honorars vor. Der von ihr zu Grunde gelegte Honorarverteilungsmaßstab (HVM) enthielt Regelungen für den Fall, dass das Gesamtvergütungsvolumen nicht ausreiche, um für die von den Vertragszahnärzten erbrachten Leistungen jeweils diejenigen Punktwerte zu gewähren, die in den Vereinbarungen mit den Krankenkassen-Verbänden vorgesehen waren. Hierfür war in der Anlage zu dem HVM bestimmt, dass die Honorare je zur Hälfte durch eine so genannte Richtgrößen- und durch eine Umsatzregelung zu quotieren seien. Die Beklagte versah die Honorarbescheide zudem mit dem Hinweis, dass sie sich nachträgliche Berichtigungen, z.B. auf Grund sachlicher und rechnerischer Richtigstellungen sowie auf Grund rückwirkender Änderungen des HVM, vorbehalte.
Seit August 1996 unterrichtete die Beklagte ihre Mitglieder mit Rundschreiben und Sondermitteilungen fortlaufend über ihre Vergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen-Verbänden, übersandte die jeweils aktuellen HVM-Fassungen und teilte mit Schreiben vom Juli 1997, September 1998 und August 1999 - unter Beifügung einer Beispielsberechnung - jeweils für das laufende Jahr die für die Richtgrößen- und Umsatzregelung relevanten Daten ihrer Praxis mit, soweit diese schon ermittelt worden waren.
Nachdem im Jahr 2000 sämtliche Gesamtvergütungsverträge für 1997 bis 1999 abgeschlossen waren, ergab sich, dass die Mitglieder der Beklagten zuviel Honorar erhalten hatten, und zwar ca. 16.367.000 DM für das Jahr 1997, ca. 17.131.000 DM für 1998 und ca. 7.055.000 DM für 1999.
Die Beklagte änderte daraufhin die Honorarbescheide für die Quartale I/97 bis IV/99 entsprechend den Regelungen im HVM und forderte vom Kläger mit Bescheid vom 18. Oktober 2000 die Rückzahlung von 3.665,87 DM (15.965,87 DM [= 8.163,22 Euro] abzüglich zu verrechnender Einbehalte aus gekürzten Abschlagszahlungen in Höhe von 12.300,- DM). Sie begründete dies mit Überzahlungsbeträgen für 1997 von 10.374,55 DM, für 1998 von 5.591,32 DM und für 1999 von 0,00 DM. Die Beklagte hatte dabei einen so genannten Anpassungswert berücksichtigt, den der Vorstand der KZÄV zwecks vollständiger Verteilung der tatsächlich zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung festgelegt hatte, und sie rechnete die in den ursprünglichen Honorarbescheiden vorgenommenen Einbehalte an.
Mit Urteilen vom 14. Dezember 2005 bestätigte das Bundessozialgericht die Rechtmäßigkeit der auch gegenüber anderen Mitgliedern der Beklagten ergangenen Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheide vom 18. Oktober 2000 (u. a. B 6 KA 17/05 R). Die Beklagte habe insoweit eine Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung besessen; Vertrauensschutz der betroffenen Zahnärzte habe dem nicht entgegen gestanden.
Insoweit von anderen B Zahnärzten geführte Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (B...