Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung. Mietkautionsdarlehn. Erlass. Aufrechnungslage
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten verfügte Aufrechnung mit der Rückforderung aus einem Mietkautionsdarlehen.
Der 1989 geborene, an diversen - wohl vornehmlich psychischen - Erkrankungen leidende Kläger steht seit geraumer Zeit beim Beklagten im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach den Vorschriften des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Mit Bescheid vom 11. Februar 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger zur Anmietung der von ihm bis heute inngehaltenen Mietwohnung ein Mietkautionsdarlehen i.H.v. 793,74 € und erklärte zugleich, dass das Darlehen ab dem 1. März 2016 in monatlichen Raten à 40,40 € gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet werde. Der Darlehensbetrag wurde im Februar 2016 an den Vermieter ausgezahlt. Der Kläger erhob gegen die Aufrechnungsverfügung Widerspruch, so dass der Beklagte wegen der aufschiebenden Wirkung von einer Vollziehung der Aufrechnung absah. Der Kläger führte u.a. zur Begründung aus, die Aufrechnung sei rechtswidrig, weil hierdurch über 20 Monate hinweg das Existenzminimum unterschritten werde, was verfassungswidrig sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2016 als unbegründet zurück.
Der Kläger erhob zunächst beim Sozialgericht Berlin (SG) eine Untätigkeitsklage, die unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 93 AS 7520/16 geführt wurde, weil er seinen Angaben zufolge keinen Widerspruchsbescheid erhalten hatte. Im dortigen Verfahren führte der Beklagte im Schreiben vom 27. Juni 2016 aus, dass der Widerspruchsbescheid am 4. März 2016 übersandt worden sei, eine Fax-Übersendung leider nicht nachgewiesen werden könne. Der Widerspruchsbescheid werde dem Bevollmächtigten des Klägers umgehend erneut per Fax übersandt. Dieser erhielt den Widerspruchsbescheid am 29. Juni 2016. Der Kläger erklärte das Verfahren daraufhin unter dem 8. Juli 2016 für erledigt.
Der Kläger hat am 1. Juli 2016 die vorliegende Klage zum SG erhoben und sein Rechtsvorbringen vertieft. Auf Antrag der Beteiligten hat das SG mit Beschluss vom 16. Dezember 2016 im Hinblick auf das damals beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren B 4 AS 14/15 R das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Sodann hat das SG nach Aufnahme des Verfahrens - im Einverständnis der Beteiligten im Wege schriftlicher Entscheidung - die Klage mit Urteil vom 5. März 2018 abgewiesen und die Aufrechnung gemessen an der in § 42a SGB II enthaltenen gesetzlichen Regelung unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung für rechtens erachtet, zudem ausgeführt, dass eine Verfassungswidrigkeit von § 42a SGB II nicht zu erkennen sei. In der Annahme, dass sich die Aufrechnungsverfügung nur auf den damals bis März 2016 laufenden Bewilligungszeitraum bezogen habe und deshalb der für eine Berufung erforderliche Beschwerdegegenstandswert nicht erreicht werde, hat das SG die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und wegen Abweichung vom Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 17. Februar 2016 - L 32 AS 516/15 B PKH - (zum Bestehen eines Entschließungsermessens in § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II) zugelassen.
Der Kläger hat gegen das seinem Bevollmächtigten am 14. März 2016 zugestellte Urteil am 26. März 2018 Berufung eingelegt und bei der Aufrechnung einen Ermessensausfall geltend gemacht, ferner ausgeführt, er könne insbesondere nicht auf die Möglichkeit eines Erlasses verwiesen werden, auf den kein Anspruch bestehe. Aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse (Schwerbehinderung, behinderungsbedingte Mehraufwendungen) müsse eine Unterschreitung des Regelsatzes zu jeder Zeit verhindert werden. Die Aufrechnung erscheine auch deshalb rechtswidrig, weil sie unzulässigerweise zu einem Zeitpunkt erklärt worden sei, als die Gegenforderung nach gar nicht fällig gewesen sei. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision ggf. zuzulassen sei. Der Kläger hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Verfügung des Berichterstatters vom 8./9. November 2021 ist der Kläger auf die wohl fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung bzw. das zwischenzeitlich ergangene Urteil des BSG vom 28. November 2018 - B 14 AS 31/17 R - hingewiesen und eine Rücknahme angeregt worden.
Zwischenzeitlich hat das SG mit Urteil vom 5. Juli 2022 im Verfahren S 54 AL 1274/20 den Beklagten als dortigen Beigeladenen u.a. zum Erlass der Forderung aus dem Darlehensbescheid vom 11. Februar 2016 verpflichtet und u.a. zur Begründung ausgeführt, die Forderung sei billigerweise zu erlassen, weil sie inzwischen verjährt sei. Hiergegen ist eine Berufung des Beklagten beim LSG Berlin-Brandenburg anhängig, welche unter dem Aktenzeichen L 14 AL 101/22 geführt wird. Der Kläger macht sich die Ausführungen...