Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Nutzenbewertung von Arzneimitteln des Bestandsmarkts. Aufforderung zur Einreichung von Nutzenbewertungsdossiers kein Verwaltungsakt. Ausschluss des Rechtsschutzes verstößt nicht gegen die Rechtsschutzgarantie. Unschädlichkeit des Fehlens eines Konzepts. Unzulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage. Anfechtungsklage. Zusatznutzen. Festbetragsgruppe. Normsetzungsverfahren. Rechtsschutzkonzentration. Garantie eines effektiven Rechtsschutzes. Berufsfreiheit. Willkür
Orientierungssatz
1. Die Aufforderung zur Einreichung von Nutzenbewertungsdossiers zur Bestandsmarkt-Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (sog Bestandsmarktaufruf) leitet ein Normsetzungsverfahren ein und ist kein Verwaltungsakt.
2. Sämtliche Entscheidungen im Rahmen von § 35a SGB 5 dienen der Vorbereitung von Preisvereinbarungen nach § 130b SGB 5 oder Festbetragsentscheidungen nach § 35 SGB 5. Reinen Vorbereitungshandlungen kommt typischerweise keine Verwaltungsaktsqualität zu (vgl zuletzt BSG vom 27.8.2011 - B 4 AS 1/10 R = BSGE 109, 70 = SozR 4-4200 § 16 Nr 9).
3. Die zu zweistufigen Verwaltungsverfahren ergangene Rechtsprechung ist nicht auf § 35a SGB 5 bzw den Bestandsmarktaufruf nach dessen Abs 6 übertragbar.
4. Der Gesetzgeber hat bei der Konzeption der Nutzenbewertung nach § 35a SGB 5 das Modell der Rechtsschutzkonzentration verfolgt. Damit ist klargestellt, dass Rechtsschutz unmittelbar gegen die Aufforderung zur Dossiereinreichung gesetzlich ausgeschlossen ist.
5. Dieses Ergebnis verletzt nicht die grundrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 GG.
6. Es ist unschädlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss einer Veranlassung einer Bestandsmarkt-Nutzenbewertung noch nicht sein erst durch späteren Beschluss vom 18.4.2013 eingeführtes Konzept “zur Gewährleistung von sachgerechten Auswahlentscheidungen von Arzneimitteln für eine Bestandsmarktnutzenbewertung„ zugrunde legte.
7. Die vorbeugende Feststellungsklage setzt ua voraus, dass aufgrund einer behördlichen Ankündigung eine den Kläger belastende Maßnahme unmittelbar bevorsteht und erfordert ein gerade auf Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Feststellungsinteresse. An letzterem fehlt es ua dann, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, zunächst das behördliche Handeln abzuwarten (vgl BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 49/89 = SozR 3-2940 § 7 Nr 2).
Normenkette
SGB V §§ 35a, 35, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, Abs. 6, § 130b; SGB X § 31; SGG § 78 Abs. 1 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin vertreibt folgende Arzneimittel, deren Zulassungsinhaberin jeweils die NE Limited mit Sitz in H (Vereinigtes Königreich) ist, unter eigenem Namen:
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Arzneimittel |
Wirkstoff |
Anwendungsgebiet |
Galvus |
Vildagliptin |
“zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2: In einer oralen Zweifach-Kombinationstherapie mit - Metformin bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen von Metformin unzureichend eingestellt ist, - einem Sulfonylharnstoff bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen eines Sulfonylharnstoffs unzureichend eingestellt ist und bei denen Metformin wegen Kontraindikationen oder Unverträglichkeit ungeeignet ist, - einem Thiazolidindion bei Patienten mit ungenügender Blutzuckereinstellung, für die die Anwendung eines Thiazolidindions geeignet ist.„ (Fachinformation, Stand Januar 2011) |
Eucreas |
Metformin/ Vildagliptin |
“Behandlung des Typ-2-Diabetes-mellitus bei Patienten …[], deren Blutzucker trotz Monotherapie mit der maximal verträglichen Dosis von Metformin alleine unzureichend eingestellt ist oder die bereits mit einer Kombination aus Vildagliptin und Metformin in separaten Tabletten behandelt werden. (Fachinformation, Stand Januar 2011) |
Jalra |
Vildagliptin |
“Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2: Als Monotherapie - bei Patienten, die durch Diät und Bewegung allein nicht ausreichend therapiert sind und für die Metformin aufgrund von Gegenanzeigen oder Unverträglichkeiten nicht geeignet ist. In einer oralen Zweifach-Kombinationstherapie mit - Metformin bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen von Metformin unzureichend eingestellt ist, - einem Sulfonylharnstoff bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen eines Sulfonylharnstoffs unzureichend eingestellt ist und bei denen Metformin wegen Kontraindikationen oder Unverträglichkeit ungeeignet ist, - einem Thiazolidindion bei Patienten mit ungenügender Blutzuckereinstellung, für die die Anwendung eines Thiazolidindions geeignet ist. In einer oralen Dreifach-Kombinationstherapie mit - einem Sulfonylharnstoff und Metformin, wenn Diät und Bewegung zusätzlich zu einer Zweifachtherapie mit diesen Arzneimitteln zu keiner adäquaten glykämischen Kontrolle führen. Vildagliptin ist auch für die Anwendung in ... |