Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme für nichtärztliche Nadelepilationsbehandlungen (Elektrokoagulation) nach geschlechtsangleichender Behandlung bei Mann-zu-Frau Transsexualität. Arztvorbehalt. Heilmittelversorgung. Systemversagen
Orientierungssatz
1. Zum Streit um die Übernahme der Kosten für nichtärztliche Nadelepilationsbehandlungen (Elektrokoagulation) zur dauerhaften Entfernung von Bartbehaarung im sichtbaren Gesichts- und Halsbereich nach einer geschlechtsangleichenden Behandlung bei Mann-zu-Frau Transsexualität.
2. Zwingende Voraussetzung einer ärztlichen Krankenbehandlung ist es, dass der Behandler Arzt im berufsrechtlichen Sinne ist. Dieser Arztvorbehalt beinhaltet einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der nicht ärztlich angeleiteten selbständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten (vgl BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 34/17 R = SozR 4-2500 § 28 Nr 9 RdNr 14).
3. Der Arztvorbehalt lässt es aber zu, dass Ärzte sich der Hilfeleistungen anderer Personen bedienen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten sind (vgl BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 34/17 R aaO RdNr 13). Die Hilfsleistungen anderer Personen können aber der ärztlichen Behandlung als ärztlich angeordnet und verantwortet nur dann zugerechnet werden, wenn der Arzt bei ihrer Durchführung selbst anleitend, mitwirkend oder beaufsichtigend tätig wird (vgl BSG vom 25.7.1979 - 3 RK 45/78 = SozR 2200 § 182 Nr 48, RdNr 20 mwN).
4. Die Elektro-Epilation stellt sich nicht als verordnungsfähiges Heilmittel dar. Weder Kosmetikerinnen, noch Heilpraktikerinnen bzw speziell Elektrologinnen können die Zulassung als Heilmittelerbringer erreichen.
5. Auch ein Systemversagen aus dem Umstand, dass die Versicherte keine Vertragsärzte findet, welche die Nadelepilation bei ihr erbringen können und wollen und die Krankenkasse ihr auch weder leistungsbereite Vertrags- noch Privatärzte benennen kann, begründet keinen Anspruch auf die Verschaffung einer als ärztlichen Leistung gebotenen Behandlung durch einen Nichtarzt.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2016 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für nichtärztliche Nadelepilationsbehandlungen (Elektrokoagulation) zur dauerhaften Entfernung ihrer Bartbehaarung im sichtbaren Gesichts- und Halsbereich
Sie ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei ihr liegt ein anerkannter Mann-zu-Frau-Transsexualismus (ICD-10F64.0) vor. Ihre Transidentität ist rechtskräftig festgestellt. Der medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) führt in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 6. Oktober 2014 aus, dass bei der Klägerin ein krankheitswertiger Leidensdruck durch die Diskrepanz zwischen gelebter und empfundener weiblicher Identität gegenüber der biologisch männlichen Körperausstattung bestehe. Diese habe auch nicht im ausreichenden Maße durch die begleitende Psychotherapie gemindert werden können. Die Standards der Behandlung als Voraussetzung für die Durchführung geschlechtsangleichender Maßnahmen seien ausreichend erfüllt. Bei manifestem Transsexualismus Mann-zu-Frau seien unter anderem die Voraussetzungen einer Nadel-Epilation der Bartbehaarung durch einen „Vertragsarzt (EBM)“ gegeben.
Die Klägerin beantragte am 5. November 2014 bei der Beklagten unter Einreichung eines Kostenvoranschlages der D GmbH + Co KG F [mittlerweile D GmbH, nachfolgend nur noch: „D] die Übernahme der Kosten für der Epilation der Haare im Gesichts- und Halsbereich in Höhe von 6.240 € (40 Behandlungen á 156 € brutto zuzüglich Mehrwertsteuer).
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. November 2014 ab. Eine Kostenübernahme könne nicht erfolgen, da es sich bei D nicht um einen zugelassenen Vertragspartner handele.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Die medizinische Notwendigkeit zur Epilationsbehandlung im Gesichts- und Halsbereich liege unstreitig vor. Der von der Beklagten zwischenzeitlich vorgeschlagene Vertragsarzt B verfüge nur über ein veraltetes Epilationsgerät und biete ausschließlich fünfminütige Behandlungen an. Dies führe zu einer unzumutbar langen Gesamtbehandlungsdauer zwischen sieben und 35 Jahren. Es liege eine Versorgungslücke vor. Zur Schließung der Versorgungslücke biete es sich an, über § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auch nicht im Vierten Kapitel des SGB V genannte Leistungserbringer -nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse unter der Voraussetzung, dass die Qualität und Sicherheit der Leistung mit derjenigen eines entsprechenden Vertragsbehandlers vergleichbar sei- in Anspruch nehmen zu können. Zwar habe eine Kosmetikerin keine einem Arzt vergleichbare Ausbildung. Für das Teilgebiet Epilationsbehandlung sei jedoch festzustellen, dass einzelne Kosmetikstudios die Q...