Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung von Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus

 

Orientierungssatz

1. Monatliche Zahlungsansprüche aus dem Recht auf Halbwaisenrente entstehen für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur, wenn die Waise wegen eines anerkannten Grundes gehindert war, ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren.

2. Ein der Berufs- oder Schulausbildung gleichgestellter Verlängerungstatbestand ist eine der Ausbildung zuzurechnende Zwischenzeit. Diese ist auf 4 Monate begrenzt und setzt zu ihrer Anerkennung voraus, dass sie als unvermeidbare Zwangspause zwischen zwei Ausbildungsabschnitten eingetreten ist.

3. Aus einer weitergehenden Verzögerung der Berufsausbildung wegen Fehlens eines Ausbildungsplatzes ergibt sich kein Anspruch auf Gewährung von Waisenrente. Dieser Regelung liegt die Maxime zugrunde, dass das volljährige Kind sich seinen Unterhalt auch mit ungelernten Tätigkeiten verdienen muss.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Halbwaisenrente für Zeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres.

Die im April 1987 geborene Klägerin ist die Tochter der 1950 geborenen und 2003 verstorbenen Versicherten A Sch. Sie hat vor Vollendung des 18. Lebensjahres die allgemeinbildende Schule abgeschlossen und sucht seither eine geeignete Ausbildungsstelle. Auf ihren Antrag hin bezog sie vom 1. Januar 2004 an eine Halbwaisenrente nach der Versicherten befristet bis zum 30. April 2005. Auf die Hinweise der Beklagten über die Weitergewährung der Waisenrente hin beantragte sie am 22. Februar 2005 die Waisenrentenzahlung über den 30. April 2005 hinaus und legte dazu eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vor, wonach sie eine noch nicht vermittelte Bewerberin für eine berufliche Ausbildungsstelle sei. Mit Bescheid vom März 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Voraussetzungen für den weiteren Bezug der Waisenrente lägen vor. Die Waisenrente werde daher weiter gezahlt. Der Anspruch auf die Waisenrente werde nach § 102 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) befristet. Ende der Befristung sei der 31. August 2005, Grund für die Befristung die Ausbildungssuche; diese sei weiterhin nachzuweisen.

Am 27. Juni 2005 übersandte die Klägerin zur Nachprüfung der weiteren Waisenrentenberechtigung erneut eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit, wonach sie noch nicht vermittelte Bewerberin für eine berufliche Ausbildungsstelle sei. Auf telefonische Rückfrage, weshalb für September 2005 keine Waisenrente gezahlt worden sei, erteilte die Beklagte einen Bescheid (vom 14. September 2005) über den Wegfall der Waisenrente. Der Bescheid vom 10. Juni 2004 über die Bewilligung der Waisenrente nach § 48 SGB VI werde zum 1. September 2005 aufgehoben. Ein Ausbildungstatbestand liege nicht mehr vor. Sofern die Klägerin eine Ausbildung beginne, könne sie einen Antrag auf Wiedergewährung der Halbwaisenrente stellen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Dem Begehren auf Weitergewährung der Halbwaisenrente könne nicht entsprochen werden, da die Voraussetzungen für einen Anspruch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres nicht erfüllt seien (Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2005).

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Sie hat geltend gemacht, da sie aufgrund fehlender eigener Einkünfte einen Anspruch auf elterlichen Unterhalt habe und Sinn und Zweck der Halbwaisenrente sei, diesen Unterhaltsanspruch gegen den verstorbenen Elternteil abzudecken, bestehe weiterhin Anspruch auf die begehrte Rente. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Situation könne die Beklagte nicht allein darauf abstellen, dass bislang kein Ausbildungsverhältnis vorliege. Maßgeblich sei, dass sie ernsthaft und nachweisbar eine Ausbildung anstrebe und sich in einem entsprechenden Programm der Bundesagentur für Arbeit befinde.

Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, die Klägerin sei mit einem Hinweisblatt zum Bescheid aus März 2005 darauf hingewiesen worden, dass nach § 48 Abs. 4 Nr. 2 b SGB VI für Zeiträume, in denen sich die Waise nicht tatsächlich in Schul- oder Berufsausbildung befinde, grundsätzlich kein Anspruch auf Waisenrente bestehe. Lediglich für Zeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten könne in analoger Anwendung der im Kindergeldrecht geltenden Regelungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 Bundeskindergeldgesetz unter bestimmten Voraussetzungen ein Waisenrentenanspruch fortbestehen (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1267 Nr. 31 und BSG SozR 3-2200 § 1267 Nr. 1). Für solche Zwischenzeiten sei Voraussetzung, dass die weitere Schul- oder Berufsausbildung mit Beginn des Fünften auf die Beendigung der vorherigen Ausbildung folgenden Kalendermonats beginne. Stehe bereits von vornherein fest, dass die weitere Ausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen werde, könne die Waisenrente...

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