Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf Entschädigung wegen überlanger Dauer des gerichtlichen Verfahrens
Orientierungssatz
1. Nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Voraussetzung ist eine rechtzeitige Rüge der Verfahrensdauer bei dem mit der Sache befassten Gericht.
2. Angemessen bleibt noch eine Verfahrensdauer, welche 12 Monate überschreitet, die aber auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, sofern das Gericht diese nicht zu vertreten hat (BSG Urteil vom 3. 9. 2014, B 10 ÜG 12/13 R).
3. Für die entschädigungspflichtige Überlänge eines Verfahrens gilt nach § 198 Abs. 2 S. 3 GVG ein Richtwert von 1200.- €. für jedes Jahr der Verlängerung.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger wegen überlanger Dauer
des vor dem Sozialgericht Potsdam zunächst unter dem Aktenzeichen S 38 AS 1845/11*42 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2.000,00 €,
des vor dem Sozialgericht Potsdam zunächst unter dem Aktenzeichen S 38 AS 3284/11*42 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 1.800,00 € und
des vor dem Sozialgericht Potsdam zunächst unter dem Aktenzeichen S 38 AS 1141/12*42 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 1.600,00 €
zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Entschädigungen wegen überlanger Dauer der vor dem Sozialgericht Potsdam zunächst unter den Aktenzeichen S 42 AS 1845/11, S 42 AS 3284/11 und S 42 AS 1141/12 registrierten und zuletzt zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 38 AS 1845/11 verbundenen Verfahren. Den inzwischen abgeschlossenen Ausgangsverfahren lagen folgende Sachverhalte zugrunde:
Am 08. Juli 2011 erhob der schon damals von seinen jetzigen Bevollmächtigten vertretene Kläger beim Sozialgericht Potsdam Klage, mit der er - unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide - die Verurteilung des Jobcenters B zur Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit ab dem 01. Mai 2011 begehrte. Der Beklagte hatte die Leistungsbewilligung unter Berufung auf § 7 Abs. 5 SGB II abgelehnt, da der Kläger am 08. September 2010 beim Europäischen Bildungswerk eine Ausbildung begonnen hatte. Mit der Klage beantragte der Kläger Akteneinsicht sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 42 AS 1845/11 registriert. Am 25. Juli 2011 bestätigte das Gericht den Eingang der Klage und forderte den Beklagten des Ausgangsverfahrens zum einen zur Stellungnahme innerhalb von sechs Wochen, zum anderen zur Übersendung der Akten unmittelbar an den Bevollmächtigten des Klägers binnen vier Wochen auf. Weiter verfügte es eine Frist von acht Wochen zur Wiedervorlage. Am 04. August 2011 ging die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers ein, elf Tage später die Klageerwiderung. Am 24. August 2011 erfolgte eine Weiterleitung an den Bevollmächtigten. Nachdem dieser Mitte September die Verwaltungsakten an das Gericht geschickt hatte, wurde er um Klagebegründung innerhalb von vier Wochen gebeten. Am 01. November 2011 wurde er erinnert. Mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz erweiterte er die Klage und begehrte nunmehr namens des Klägers ergänzend einen Vorschuss. Eine Klagebegründung erfolgte weiterhin nicht. Erst nach zwischenzeitlicher Bitte um Fristverlängerung ging die Begründung schließlich am 07. Dezember 2011 ein und wurde dem Beklagten des Ausgangsverfahrens eine Woche später zur Erwiderung innerhalb eines Monats übersandt. Am 27. Januar 2012 traf dessen Stellungnahme ein. Diese wurde dem Bevollmächtigten am 03. Februar 2012 zur freigestellten Stellungnahme übersandt. Weiter wurde der Vorgang zur Frist in der Sache S 42 AS 3284/11 verfügt.
In diesem Verfahren hatte der Kläger am 28. November 2011 Klage gegen einen Bescheid des Jobcenters erhoben, mit dem dieses die Gewährung eines am 01. Juli 2011 beantragten Darlehens mit der Begründung abgelehnt hatte, dass der Kläger vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei und nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II eine Darlehensgewährung nur bei Vorliegen - hier nicht gegebener - besonderer Umstände in Betracht komme. Mit dem Klageschriftsatz war eine weitere ausführliche Klagebegründung angekündigt worden. Mitte Dezember 2011 hatte das Gericht den Eingang der Klage bestätigt und den dortigen Beklagten zur Stellungnahme aufgefordert, der mit am 26. Januar 2012 eingehendem Schriftsatz eine Erwiderung nach Eingang der angekündigten Klagebegründung in Aussicht gestellt hatte. Der Schriftsatz war dem Bevollmächtigten am 03. Februar 2012 übersandt worden.
Ende Februar 2012 bat der Bevollmächtigte unter Benennung d...