Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung bei einem früheren Wahlbeamten mit Versorgungs- und Beihilfeanspruch für eine nachfolgende Beschäftigung

 

Orientierungssatz

Der ehemalige beamtete Beigeordnete eines Landkreises, der nach beamtenrechtlichen Vorschriften einen Unterhaltsbeitrag erhält und und Anspruch auf Beihilfe hat, ist in einem danach ausgeübten Beschäftigungsverhältnis beim Landkreis als Angestellter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3 in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei und hat Anspruch auf Erstattung der dennoch entrichteten Versicherungsbeiträge (Anschluss an BSG, Urteil vom 11.10.2001 - B 12 KR 7/01 R -; Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 29.07. 2003 - B 12 KR 15/02 R -).

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. Juni 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2004 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in seiner Beschäftigung für den Landkreis Uckermark seit dem Mai 1994 in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei war.

Die Beigeladene wird verurteilt, dem Kläger seine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung rückwirkend für vier Jahre seit dem 16. Juli 2003 zu erstatten.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der Arbeitslosenversi-cherung.

Der im Februar 1944 geborene Kläger war vom 1. Juni 1990 bis zum 5. Mai 1994 Wahlbe-amter des Landkreises P/U im Amt eines Beigeordneten des Landkreises. Ab 6. Mai 1994 beschäftigte ihn der Landkreis U als Angestellten. Zusätzlich zu seinem Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung stand dem Kläger seit der Beendigung seiner Dienstzeit als kommunaler Wahlbeamter ein Unterhaltsbeitrag nach beamtenrechtlichen Vorschriften aus eigenem Dienstverhältnis in Höhe von 35% der Besoldungsgruppe A 15 des Bundesbesoldungsgesetzes zu, auf das seine Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis in Höhe von 60% angerechnet wurden. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Zeitpunkt eines Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung standen ihm Versorgungsbezüge in ungekürzter Höhe zur Verfügung; ein besonderer, insbesondere tarifvertraglicher Kündigungsschutz bestand für ihn bei seiner Beschäftigung nicht. Er ist privat krankenversichert und beihilfeberechtigt.

Seinen sinngemäßen Antrag auf Feststellung der Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung sowie auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004, mit der Begründung ab, dass der Status als pensionierter Beamter nicht zur Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung führe, wenn der Ruhestandsbeamte eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung als Angestellter ausübe. Für die Krankenversicherung sehe § 6 Abs. 1 Nr. 6 des Sozialgesetzbuches/Fünftes Buch (SGB V) vor, dass Versicherungsfreiheit vorliege, wenn einem Beamten im Ruhestand ein Anspruch auf ein Ruhegehalt zuerkannt sei und er Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall nach beamtenrechtlichen Vorschriften habe. Dies gelte nach § 6 Abs. 3 SGB V auch dann, wenn ein Ruhestandsbeamter zusätzlich eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehme. Die Arbeitslosenversicherung kenne hingegen keine dem § 6 Abs. 3 SGB V vergleichbare Vorschrift. In der Arbeitslosenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit nur dann, wenn eine der in § 169 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw. § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Drittes Buch (SGB III) genannten Voraussetzungen vorliege. Die Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung beziehe sich danach nur auf eine Beschäftigung als Beamter bzw. Ruhestandsbeamter.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Neuruppin nach Beiladung der Bundesagentur für Arbeit mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III seien Personen nur in einer Beschäftigung als Beamte versicherungsfrei, nicht hingegen in einer Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis. Nach der Systematik des § 27 Abs. 1 SGB III sei jeweils die konkrete Beschäftigung maßgebend. Die Versicherungsfreiheit nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III beziehe sich deshalb nicht auf weitere Beschäftigungen einer der in § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III genannten Personen. Erst Recht könne eine nicht mehr ausgeübte Beschäftigung nicht zur Versicherungsfreiheit einer nunmehr ausgeübten Beschäftigung führen. Eine Befreiung des Klägers von den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Als Arbeitnehmer beschäftigte Ruhegehaltsempfänger nähmen die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Beigeladenen, vor allem auch Leistungen zur Förderung der b...

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