Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Anspruch auf Feststellung des Grades der Behinderung. Tod des Anspruchsinhabers. keine Aktivlegitimation der Witwe. Anspruchsuntergang. Nachweis der Schwerbehinderung gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Feststellung des Grades der Behinderung nach dem SGB 9 und dem SchwbG erlischt mit dem Tod des Anspruchsinhabers und kann weder durch Erbrecht noch durch sozialrechtliche Sondervorschriften auf eine andere Person übergehen (Anschluss an BSG vom 6.12.1989 - 9 RVs 4/89 = BSGE 66, 120 = SozR 3870 § 4 Nr 4, zum Merkzeichen "H").

 

Orientierungssatz

Für die Vertrauensschutzregelung nach § 236a S 5 Nr 1 SGB 6 idF vom 19.2.2002 und nach § 236a Abs 4 Halbs 1 SGB 6 idF vom 20.4.2007 genügt es, wenn der Rentenberechtigte den Nachweis der Schwerbehinderung gegenüber dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung durch gutachterliche Stellungnahme oder sonstige ärztliche Unterlagen erbringt.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für den gesamten Rechtsstreit - einschließlich des Revisionsverfahrens - nicht zu erstatten. Die in dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. August 2007 getroffene Kostenentscheidung bleibt hiervon unberührt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zugunsten ihres verstorbenen Ehemannes bereits ab dem 1. November 2000 hat.

Der 1945 geborene und am 2012 verstorbene Ehemann der Klägerin war am 4. April 2002 ins Unfallkrankenhaus B aufgenommen worden, in dem bei ihm ein mindestens 10 x 10 cm großer gastrointestinaler Stromatumor (GIST) oberhalb des Blasendaches diagnostiziert und am 17. April 2002 operativ entfernt worden war. In der Zeit danach wurden im Rahmen von Kontrolluntersuchungen Metastasen und Rezidive festgestellt, die zu weiteren operativen Eingriffen führten. Seit dem 1. Januar 2007 bezog der Ehemann der Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Abschlägen.

Am 5. Dezember 2006 beantragte der Ehemann der Klägerin bei dem Beklagten die Feststellung eines GdB ab dem 16. November 2000. Nach entsprechenden medizinischen Ermittlungen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2007 wegen einer Harnblasenerkrankung im Zustand der Heilungsbewährung einen GdB von 80 seit dem 1. April 2002 fest. Dem Widerspruch des Ehemannes der Klägerin, mit dem er unter anderem geltend gemacht hatte, der GdB habe bereits spätestens seit Mai 2000 bestanden, half der Beklagte teilweise ab und stellte nunmehr fest, dass der GdB wegen einer Dünndarmerkrankung, bei der von einer Heilungsbewährung nicht mehr auszugehen sei, ab dem 1. April 2002 100 betrage. Den auf Feststellung eines GdB für die Zeit vor dem 1. April 2002 gerichteten Widerspruch wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. August 2007). In dem genannten Widerspruchsbescheid verfügte der Beklagte, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu zwei Dritteln erstattet würden.

Hiergegen hat der Ehemann der Klägerin am 20. September 2007 Klage erhoben. Die auf Feststellung eines GdB von 100, mindestens aber 50, ab dem 1. Mai 2000 gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Gerichtsbescheid vom 19. November 2008 abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung hat der Senat unter Zulassung der Revision durch Urteil vom 19. Januar 2010 zurückgewiesen. Es handele sich bei der Feststellung des GdB um eine Statusentscheidung, die prinzipiell in die Zukunft wirke und nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) lediglich deshalb auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückzubeziehen sei, um den schwerbehinderten Menschen für die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht unzumutbar zu belasten. Für eine weitergehende Rückwirkung sei nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV nur dann Raum, wenn der Betroffene ein besonderes Interesse für eine frühere Statusentscheidung glaubhaft machen könne. Eine solche Rückwirkung müsse jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) überdies auf offenkundige Fälle beschränkt werden, um den Sinn und Zweck einer Statusentscheidung nicht zu konterkarieren. Hier fehle es an einem offenkundigen Fall.

Auf die Revision des Ehemannes der Klägerin hat das BSG durch Urteil vom 7. April 2011 (B 9 SB 3/10 R - juris) das Urteil des Senats vom 19. Januar 2010 aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das BSG hat gemeint, die auf Feststellung eines GdB von 100 - hilfsweise von wenigstens 50 - schon ab Mai 2000 gerichtete Klage sei als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts sei der Anspruch des Ehemannes der Klägerin auf rückwirkende GdB-Feststellung nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen....

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