Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen bei funktionell Einäugigen
Leitsatz (amtlich)
Auch bei funktionell Einäugigen besteht kein Anspruch gegen die GKV auf Versorgung mit Kontaktlinsen. Dies verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Kostenerstattung für eine Kontaktlinse.
Der 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Wegen einer ausgeprägten Sehschwäche des rechten Auges ist er funktionell einäugig. Im Juni 2008 wurde zusätzlich sein linkes Auge verletzt. Durch Bescheid vom 3. Februar 2009 übernahm die Beklagte die Kosten für eine Versorgung des linken Auges mit einer Kontaktlinse in Höhe von 320,- €. Wegen einer nach der Verletzung des linken Auges bleibenden Schädigung der Hornhaut war eine Einzelanfertigung erforderlich.
Am 18. September 2009 verordnete der behandelnde Augenarzt Dr. D erneut eine Kontaktlinse für das linke Auge. Nach dem Kostenvoranschlag des Augenoptikers B (Kontaktlinseninstitut) vom 30. Oktober 2009 war die bisherige Linse unverschuldet zu Bruch gegangen. Für den Nachkauf sollte der reine Materialpreis in Höhe von 150,- € berechnet werden. Allerdings habe der Kläger nach der aktuellen Fassung der Hilfsmittel-Richtlinie keinen Versorgungsanspruch. Der von der Beklagten befragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) befand in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2009, dass nach der letzten Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie, in Kraft seit dem 7. Februar 2009, nunmehr die Abgabe von Kontaktlinsen bei funktioneller Einäugigkeit ausdrücklich ausgeschlossen sei. Stattdessen sei eine Versorgung mit Kunststoffgläsern als therapeutische Sehhilfe vorzunehmen.
Durch Bescheid vom 21. Dezember 2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen für eine Versorgung mit Sehhilfen als Kassenleistung hätten sich zum 7. Februar 2009 geändert. Es könnten nunmehr nur noch die Kosten für Kunststoffbrillengläser übernommen werden.
Der Kläger legte Widerspruch ein, den die Beklagte nach nochmaliger Befragung des MDK durch Widerspruchsbescheid vom 31. August 2010 zurückwies. Die Voraussetzungen für eine Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung lägen nicht vor. Diese seien durch die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses konkretisiert worden. Eine schwere Sehbeeinträchtigung nach der WHO-Klassifikation, die Voraussetzung für einen Leistungsanspruch von Sehhilfen zur Verbesserung der Sehschärfe sei, liege nicht vor, weil der Kläger nach bestmöglicher Korrektur für das rechte Auge einen Visus von 0,05 und für das linke von 1,0 habe. Ein Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen als therapeutische Sehhilfen bestehe nicht, weil nach der Neufassung der Hilfsmittel-Richtlinie mit Wirkung ab dem 7. Februar 2009 Kontaktlinsen auch dann nicht mehr verordnungsfähig seien, wenn bei funktioneller Einäugigkeit zusätzlich die Notwendigkeit eines Refraktionsausgleich bestehe. Kunststoffgläser würden besser als Kontaktlinsen vor einer Verletzung des Auges schützen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 31. August 2010 und 16. September 2010 jeweils als Einschreiben übersandt, das von dem Kläger indessen nicht abgeholt wurde. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 übersandte die Beklagte den Widerspruchsbescheid schließlich als einfachen Brief.
Gegen die Ablehnung der Kostenübernahme richtet sich die am 1. November 2010 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit welcher der Kläger Kostenerstattung begehrt. Er habe die Kontaktlinse am 7. Januar 2010 mündlich in Auftrag gegeben und die ihm am 21. Januar 2010 dafür in Rechnung gestellten 150,- € am selben Tag bar bezahlt.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2013 abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, da der Widerspruchsbescheid erst nach seiner Übersendung als einfacher Brief zugegangen sei. Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung bestehe aber nicht, weil die Versorgung mit der Kontaktlinse nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Leistungen gehöre. Das Gesetz bestimme, dass Versicherte nach der Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Sehhilfen nur dann hätten, wenn sie auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung aufwiesen, die mindestens der Stufe 1 der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation entspreche. Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen bestehe zudem nur in medizinisch zwingenden Ausnahmefällen. Die insoweit maßgeblichen Indikationen habe der Gemeinsame Bundesausschuss entsprechend dem Auftrag des Gesetzgebers in seiner Hilfsmittel-Richtlinie näher geregelt. Die vom Kläger begehrte Sehhilfe sei nach der Hilfsmittel-Richtlinie nur verordnungsfäh...