Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bestimmtheit eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides über Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsinhalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Der Verwaltungsakt muss eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden, vgl. BSG, Urteil vom 07. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R.
2. Ein gegen die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft ergangener Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist hinreichend bestimmt, wenn daraus im Einzelnen hervorgeht, für welche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, in welcher monatlichen Höhe welche Leistungen im Einzelnen aufgehoben worden sind und entsprechende Erstattung verlangt wird.
3. Für die Reichweite der Aufhebung ist der Vergleich der Verhältnisse, die bei Erlass des ursprünglichen Verwaltungsaktes tatsächlich vorgelegen haben, mit den nachträglich geänderten Verhältnissen maßgeblich.
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerinnen werden unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2010 die Aufhebungs-, Erstattungs- und Änderungsbescheide des Beklagten vom 9. September 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Januar 2009 wie folgt (teilweise) aufgehoben:
für die Klägerin zu 1) insoweit, als die ihr für Januar 2008 bewilligten Leistungen um mehr als 272,63 € aufgehoben wurden und entsprechende Erstattung verlangt wurde;
für die Klägerin zu 2) insoweit, als die ihr für November und Dezember 2007 bewilligten Leistungen jeweils um mehr als 152,09 € und die ihr für Januar 2008 bewilligten Leistungen um mehr als 152,95 € aufgehoben wurden und entsprechende Erstattung verlangt wurde;
für die Klägerin zu 3) insoweit, als die ihr für November und Dezember 2007 bewilligten Leistungen jeweils um mehr als 152,09 € und die ihr für Januar 2008 bewilligten Leistungen um mehr als 137,52 € aufgehoben wurden und entsprechende Erstattung verlangt wurde.
Im Übrigen werden die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2010 zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägerinnen 1/10 ihrer außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen wenden sich gegen teilweise Aufhebungen ihnen für die Zeit von Oktober 2007 bis Januar 2008 gewährter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und entsprechende Erstattungsforderungen des Beklagten in Höhe von insgesamt 2206,71 €.
Die 1966 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der 1993 und 1990 geborenen Klägerinnen zu 2) und 3), die sie (nach erfolgter Scheidung) im in Rede stehenden Zeitraum allein erzog. Die Klägerinnen bewohnten eine Vier-Zimmer-Wohnung, für die seinerzeit eine monatliche Bruttowarmmiete von 674,56 € zu zahlen war (395,04 € zzgl. 192,30 € Nebenkosten- und 87,22 € Heizkostenvorauszahlungen inkl. Warmwasserbereitung). Ab Mai 2007 bezogen sie als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Für den hier streitigen Zeitraum ergingen zuletzt folgende Bewilligungsbescheide: Mit (Änderungs-)Bescheid vom 7. Juni 2007, der den Zeitraum von Juli bis Oktober 2007 betraf, wurden den Klägerinnen u.a. für Oktober 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 1335,59 € bewilligt (Regelleistungen von 430,- € ≪347,- € zzgl. 83,- € Mehrbedarfszuschlag wegen Alleinerziehung≫ für die Klägerin zu 1) und von jeweils 278,- € für die Klägerinnen zu 2) und 3) zzgl. insgesamt 657,57 € Leistungen für Unterkunft und Heizung). Mit Bescheid vom 22. Oktober 2007, der den Folgezeitraum November 2007 bis April 2008 regelte, gewährte der Beklagte den Klägerinnen für die Monate November und Dezember 2007 jeweils insgesamt 1285,99 € und für Januar 2008 insgesamt 1250,11 €. Für die Monate November und Dezember 2007 hatte sich die Gesamtleistung deshalb verringert, weil der Beklagte nunmehr neben dem Kindergeld auch Einkommen der Klägerin zu 1) aus einer Nebenbeschäftigung in einem Ingenieurbüro von 162,- €/Monat abzgl. 30-, € Versicherungspauschale und 82,40 € Freibetrag = 49,60 € anrechnete. Diese ab dem 21. Mai 2007 ausgeübte Nebentätigkeit hatte die Klägerin zu 1) dem Beklagten im Juni 2007 mitgeteilt. Die weitere Leistungsverringerung im Januar 2008 resultierte daraus, dass die Klägerin zu 3) am 2. dieses Monats volljährig wurde, weswegen sie und die Klägerin zu 1) ab diesem Januar 2007 nur noch sog. Mischregeleistungen von 312,- €/Monat erhielten, mit der weiteren Folge, dass der Mehrbedarfszuschlag wegen Alleinerziehung nur noch 43,- € betrug.
Am 29. Oktober 2007 ging die Mitteilung der Klägerin zu 1) bei dem Beklagen ein, dass sie ab dem 16. Oktober 2007 (befristet bis zum 18. September 2008) als Projektmitarbeit...