Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung dem Erblasser zu Unrecht gezahlter Rentenleistungen durch den Erben

 

Orientierungssatz

1. Eine zu erstattende Leistung ist nach § 50 Abs. 3 S. 1 SGB 10 durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.

2. Nach dem Tod des Adressaten des Bewilligungsbescheides ist eine Rücknahme gemäß § 45 SGB 10 gegenüber dessen Rechtsnachfolger möglich. Hat ein Berechtigter Leistungen zu Unrecht erhalten, so hat die Behörde diese nach seinem Tod von den Erben durch Verwaltungsakt zurückzufordern.

3. Ein Erbe bzw. Sonderrechtsnachfolger tritt in das Versicherungsverhältnis des Erblassers mit allen Rechten und Pflichten ein. Diesem gegenüber kann daher ein Erstattungsanspruch in gleicher Form geltend gemacht werden wie gegenüber dem ursprünglich Berechtigten.

4. Dem zur Erstattung Verpflichteten ist die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass vorzubehalten, wenn der Sozialleistungsträger die Zwangsvollstreckung gemäß § 66 Abs. 4 SGB 10 in entsprechender Anwendung der ZPO durchführt.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. April 2013 insoweit aufgehoben als darin die Erstattungsverfügung einer Überzahlung von 24.611,64 Euro aufgehoben wurde.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen mit der Maßgabe, dass dem Kläger die Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass vorbehalten ist.

Die Beklagte hat dem Kläger 1/10 der außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes, mit dem dieses einen Bescheid, mit dem die Bewilligung von Witwenrente für die verstorbene Mutter des Klägers teilweise zurückgenommen und die Erstattung einer Überzahlung von 24.611,64 Euro verfügt wurde, bzgl. der Erstattung aufgehoben hat, weil die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Erstattung durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

Der 1982 geborene Kläger ist der Sohn des 1991 verstorbenen Versicherten W W (im Folgenden: der Versicherte) und seiner 1947 geborenen und 2008 verstorbenen Ehefrau Y W (im Folgenden: die Witwe). Der Kläger lebte bis zum Tod der Witwe mit dieser in einer gemeinsamen Wohnung. Der Kläger hat einen Bruder, den 1974 geborenen D W W, sie haben gemeinsam die Witwe beerbt.

Am 16. Mai 1991 stellte die Witwe einen Antrag auf Witwenrente sowie auf Halbwaisenrenten für die beiden Söhne. Ihr damaliger Bevollmächtigter erklärte in dem Antrag, dass die Witwe keinerlei eigenes Einkommen habe, weil sie die Kinder zu Hause betreue. Mit Schreiben vom 1. Juli 1991, bei der Beklagten eingegangen am 29. Juli 1991, bat der damalige Bevollmächtigte um bevorzugte Behandlung, da die Witwe mit ihren Kindern ab dem 1. August 1991 ohne Geldmittel dastehen würde und ihr nicht zugemutet werden könne, zum Sozialamt zu gehen. In der Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente, von dem damaligen Bevollmächtigten am 1. Juli 1991 unterschrieben, wurde angegeben, dass die Witwe keinerlei Einkommen habe, weder Arbeitseinkommen noch Erwerbsersatzeinkommen.

Mit Bescheid vom 19. August 1991 bewilligte die Beklagte der Witwe Witwenrente ab dem 23. April 1991. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass der Bezug einer Leistung wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit oder einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung oder der Rentenversicherung zu einer Änderung der Rentenhöhe führen könne und die Witwe verpflichtet sei, der Beklagten die Beantragung sowie den Bezug oder die Änderung solcher Leistungen umgehend mitzuteilen. Weiter enthielt der Bescheid den Zusatz, dass die gesetzliche Verpflichtung bestehe, der Beklagten eine Erhöhung oder das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen.

Mit Bescheid vom 5. September 2008 bewilligte die Beklagte durch das für die Witwe zuständige Dezernat dieser Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2007. Im Rahmen dieser Rentenbewilligung wurde dem für den Versicherten zuständigen Dezernat der Beklagten am 10. September 2008 gemeldet, dass die Witwe seit August 1991 Einkommen erzielt hatte. Im Folgenden wurde versucht, mit der Witwe die Einkommensdaten für bestimmte Zeiträume zu klären. Diesbezüglich erfolgte keine Antwort. Am 28. November 2008 ist die Witwe verstorben.

Mit Schreiben vom 4. August 2009 hörte die Beklagte den Kläger dahingehend an, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 19. August 1991 mit Wirkung ab dem 1. August 1991 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen und die Überzahlung für die Zeit vom 1. August 1991 bis 30. November 2008 in Höhe von 23.773,70 Euro nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Beigefügt war eine Anlage “ Berechnung der Monatsrente„.

Auf Anfrage der Beklagten bescheinigte die Berufsgenossenschaft Handel- und Warendistribution (BGHW) am 19. August 2009, dass die Witwe in der Zeit von Juli 1999 bis 31. Oktober 2003 eine Unfallrente bezogen hatte. Zum 31. Oktober 2003 war die Rente entzogen worden.

Am 24. September 2009 sprach der K...

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