Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der Besitzschutzregelung des § 4 Abs 4 AAÜG. Stichtagsregelung. Ermittlung der Entgeltpunkte im Beitrittsgebiet. Beitragsbemessungsgrenzen. Entgeltpunkte Ost. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Stichtagsregelung in § 4 Abs 4 AAÜG bestehen nicht (vgl BSG vom 23.8.2005 - B 4 RA 52/04 R).
2. Hinsichtlich der Beitragsbemessungsgrenzen im Beitrittsgebiet stehen § 275a SGB 6 und Anlage 10 SGB 6 keineswegs zueinander im Widerspruch. Für die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrenzen Ost kommt es stets auf den vorläufigen Wert der Anlage 10 SGB 6 an. Die Beitragsbemessungsgrenze Ost erschließt sich als "abhängiger" Wert aus dem Verhältnis der "unabhängigen" Werte Beitragsbemessungsgrenze West und Anlage 10 zum SGB 6 (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 23.8.2003 - L 1 RA 1/03).
3. Einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf ausnahmslose exakte Hochrechnung von Ost-Entgelten auf West-Entgelte gibt es nicht. Die weitgehende Gleichstellung der Ost-Entgelte mit West-Entgelten durch die Aufwertung der Ost-Entgelte auf DM und deren Hochwertung mittels der Anlage 10 zum SGB 6 auf West-Entgelte kommt den Rentnern des Beitrittsgebietes weit entgegen und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl LSG Berlin vom 23.8.2003 - L 1 RA 1/03).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der dem Kläger seit dem 01. September 1996 nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu zahlenden Regelaltersrente (RAR).
Der im August geborene Kläger arbeitete nach Ablegung des Abiturs bis Juli 1951 bei der W AG als Elektriker. Anschließend studierte er an der Technischen Hochschule D Elektrotechnik und erlangte den akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs (Urkunde vom 17. Dezember 1956). Von 1956 bis 1970 war er als Ingenieur, u.a. als Leiter des Entwicklungslabors beim VEB W B tätig. 1967 promovierte er, im Jahre 1970 erhielt er die Lehrbefähigung und wurde zum Hochschuldozenten an der H-Universität zu B berufen. Dort war er bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres tätig, zunächst als Hochschuldozent, nach der Habilitation ab 1985 als außerordentlicher Professor und ab 1988 als ordentlicher Professor mit Lehrstuhl. 1989/90 bezog er ein monatliches Bruttogehalt von 3.150,00 Mark der DDR (M). Ab Januar 1992 bis zu seinem Ausscheiden wurde er nach der Besoldungsgruppe C 4 vergütet, d.h. nach seinen Angaben betrug sein Jahresbruttogehalt 1991 50.280,14 DM, 1993 92.536,59 DM und 1994 103.728,43 DM. Während seiner Beschäftigungszeiten war der Kläger sozialpflichtversichert. Darüber hinaus wurde er zunächst mit Wirkung ab 01. Februar 1965 in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz, eingeführt durch Verordnung vom 17. August 1950 (GBl I Nr 34 S 844; AVItech; einem Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫) und mit Wirkung vom 01. September 1970 in die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR, eingeführt durch Verordnung vom 12. Juli 1951 (GBl. Nr. 85 S 675; AVI; einem Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG) einbezogen mit einer Versorgungszusage von 60 v H des zuletzt bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes (Urkunde der Staatlichen Versicherung der DDR – Nr. I –vom 05. Januar 1971 iVm Nachtrag Nr. 1 vom 05. Januar 1971).
Antragsgemäß gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 19. August 1996 dem Kläger ab September 1996 RAR iHv 2.894,62 DM monatlich, errechnet aus 75,4199 Entgeltpunkten ≪EP≫ (Ost) unter Zugrundelegung ua der vom Zusatzversorgungsträger mit Bescheid vom 22. April 1996 bindend festgestellten Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech bzw AVI vom 01. Februar 1965 bis zum 30. Juni 1990 nebst der erzielten Arbeitsentgelte nach dem AAÜG bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze ≪BBG≫ (West). Mit seinem Widerspruch rügte der Kläger ua die Nichtberücksichtigung des Einkommens aus den Jahren 1991, 1993, 1994 und 1996 bis zur BBG (West). Des Weiteren begehrte er eine Vergleichsberechnung nach § 4 Abs 4 AAÜG unter Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Auch die nur teilweise Überführung seines Versorgungsanspruches aus der AVI in die Rentenversicherung halte er für verfassungswidrig. Mit Bescheid vom 02. Oktober 1996 stellte die Beklagte die Rentenleistung von Beginn an unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten bzw. zusätzlicher Arbeitsverdienste mit einem Monatsbetrag von 2.984,88 DM, errechnet aus 77,7718 EP (Ost) neu fest; mit Bescheid vom 15. Oktober 1996 gewährte sie dem Kläger einen Zuschuss zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Unter Anerkennung der Zeit vom 03. Oktober 1950 bis zu...