Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Fachärztin für Innere Medizin. Tätigkeit als Honorarärztin im Krankenhaus. Vertretung für Ärzte in der Inneren Medizin. Bereitschaftsdienst. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Ist ein in einem Krankenhaus laut Arbeitsvertrag als freiberuflicher Arzt und Honorarvertragsarzt tätiger Mediziner in die Organisation des Krankenhauses eingebunden und den Weisungen des Leitenden Arztes unterworfen, hat er ein Unternehmerrisiko nicht zu tragen, muss er bei seiner ärztlichen Tätigkeit eigene Mittel nicht einsetzen und erhält er eine pro Arbeitsstunde fest vereinbarte Vergütung, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 2016 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin bei dem von der Beigeladenen zu 1) betriebenen Krankenhaus in der Zeit vom 10. September 2012 bis zum 21. September 2012 sowie vom 22. Oktober 2012 bis zum 24. Oktober 2012 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.

Die 1974 geborene Klägerin ist Ärztin und befand sich 2012 in der Weiterbildung zur Fachärztin für Innere Medizin. Die Beigeladene zu 1) (nachfolgend nur noch: „die Beigeladene“), die unter anderem das Krankenhaus B betreibt, und sie schlossen unter Vermittlung der Agentur H am 20. August 2012 einen Vertrag, in dem sich die Klägerin verpflichtete, im Zeitpunkt vom 10. September 2012 bis zum 21. September 2012 eine Vertretung als „Ärztin der Inneren Medizin“ am Krankenhaus in B. zu übernehmen. Am 24. September 2012 schlossen sie einen gleichlautenden Vertrag für die Zeit vom 22. Oktober 2012 bis zum 24. Oktober 2012. Auf die Kopie der Verträge im Verwaltungsvorgang wird ergänzend verwiesen. Die Klägerin war in diesen Zeiträumen im Krankenhaus B. tätig. Sie stellte der Beigeladenen 167 Stunden Bereitschaftsdienst für den ersten Zeitraum bzw. 32 Stunden Bereitschaftsdienst für den zweiten Zeitraum in Rechnung.

Am 15. Oktober 2012 beantragten die Klägerin und die Beigeladene bei der Beklagten ein Statusfeststellungsverfahren. Die Beigeladene führte im Antrag aus, die Ärztin übe ihre Tätigkeit freiberuflich aus. Sie sei dem Auftraggeber und dem Leitenden Abteilungsarzt weder zeitlich, örtlich noch inhaltlich weisungsunterworfen. Insbesondere sei sie in ihrer Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig, nur dem Gesetz sowie den berufsrechtlichen Bestimmungen verpflichtet. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation finde nicht statt. Sie nehme nicht an Dienstbesprechungen, Teamsitzungen oder Schulungsmaßnahmen teil und werde nicht in die Dienstpläne eingebunden. Eine Zusammenarbeit mit den sonstigen Mitarbeitern des Krankenhauses sei nur bei Übernahme und Übergabe vor und nach dem Bereitschaftsdienst erfolgt. Das fachliche Letztentscheidungsrecht habe die Chefärztin gehabt. Bei Verhinderung, die der Verwaltung angezeigt worden wäre, wäre eine Ersatzkraft durch die Klinik beschafft worden. Ärztliche Anordnungen erfolgten gegebenenfalls bei Übernahme des Bereitschaftsdienstes bzw. durch den fachärztlichen Hintergrunddienst. Eine Kontrolle der Arbeiten sei durch die Facharztvisite erfolgt.

Die Beklagte stellte nach vorangegangener Anhörung mit Bescheid vom 29. Januar 2013 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als Ärztin bei der Beigeladenen in den genannten Zeiträumen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Es bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Diese beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. In der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Zur Begründung führte sie aus, es komme bei Ärzten entscheidend darauf an, inwieweit sie in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert seien. Werde ein Arzt im Rahmen der Arbeitsorganisation tätig, erfülle sich damit die funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess dieser Arbeitsorganisation. In diesem Sinne sei die Klägerin in die Arbeitsorganisation der Klinik der Beigeladenen eingebunden gewesen. Auch sei ein Unternehmerrisiko nicht zu erkennen.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Zur Begründung trug sie unter anderem vor, bei einem Honorararzt sei außer der Bindung an die Einrichtung und die organisatorische Struktur des Auftraggebers keine weitere Konkretisierung durch Arbeitgeberweisungen nötig.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2013 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 29. August 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben. Sie meint, nicht in die Organisation der Beigeladenen eingebunden gewesen zu sein. Die Terminkoordination sei nach Bedarf und in Absprache mit der Beigeladenen erfolgt. Sie - die Klägerin - sei in der Terminwahrnehmu...

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