Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Bemessungsentgelt. Arbeitslosengeldvorbezug. Besitzstandsklausel. rechtswidrig festgesetztes Bemessungsentgelt. Bindungswirkung
Orientierungssatz
Ein rechtswidrig zu hoch festgesetztes Bemessungsentgelt beim Arbeitslosengeldvorbezug entfaltet auch im Rahmen der Besitzstandsklausel des § 151 Abs 4 SGB 3 Bindungswirkung, so lange der frühere Bewilligungsbescheid beziehungsweise dessen Bindungswirkung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit oder Zukunft aufgehoben wurde (ebenso LSG Celle-Bremen vom 31.5.2006 - L 7 AL 161/03; entgegen LSG Schleswig vom 26.9.2008 - L 3 AL 81/07).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. März 2017 sowie der Überprüfungsbescheid vom 13. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom 29. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2013 für die Zeit vom 21. März 2013 bis 19. März 2014 höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts in Höhe von 59,73 € zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch -Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) um die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) für die Zeit vom 21. März 2013 bis 19. März 2014.
Der am 1989 geborene Kläger, der ledig und kinderlos ist, stand vom 1. September 2008 bis 31. August 2011 in einem Ausbildungsverhältnis zum Beikoch bei der Bildungseinrichtung B e.V. in Sch. Einen Anspruch auf Zahlung einer Ausbildungsvergütung hatte er nicht. Der Kläger beendete die Ausbildung ohne Abschluss und war bis zum 9. September 2009 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 10. September 2011 bis 2. November 2011 bezog der Kläger sodann Alg von der Beklagten und zwar auf der Grundlage eines fiktiven Arbeitsentgeltes von täglich 59,73 €, das die Beklagte unter Zugrundelegung der Qualifikationsgruppe 3 gemäß § 132 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung (aF) ermittelt hatte (Bewilligungsbescheide vom 12. September 2011 und vom 14. September 2011, Änderungsbescheid vom 6. Oktober 2011, Aufhebungsbescheid vom 24. November 2011). Der ab 22. September 2011 erneut arbeitsunfähig erkrankte Kläger bezog vom 3. November 2011 bis zu seiner „Aussteuerung“ am 20. März 2013 Krankengeld von der Barmer GEK bzw. vom 6. März 2012 bis 3. April 2012 Übergangsgeld wegen einer medizinischen Rehabilitation von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
Am 16. Januar 2013 meldete sich der Kläger ab 21. März 2013 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg, welches ihm unter Berücksichtigung eines der Qualifikationsgruppe 4 entsprechenden Bemessungsentgelts in Höhe von (iHv) 45,50 € täglich mit - zum Teil vorläufigen - Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheiden vom 8. März 2013, vom 18. März 2013 und 9. April 2013 für 360 Tage bewilligt wurde (Leistungssatz täglich 20,15 €). Nachdem der Kläger unter Hinweis auf eine von der Beklagten angenommene Minderung der Leistungsfähigkeit gestellte Aufforderung vom 8. März 2013, binnen eines Monats einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu stellen, nicht reagiert hatte, hob die Beklagte mit Aufhebungsbescheid vom 12. April 2013 die Alg-Bewilligung ab 18. April 2013 auf. Mit Schreiben vom 17. April 2013 bat die Beklagte unter Hinweis auf die Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg um Prüfung von Leistungen zur Rehabilitation bzw. um Feststellung einer Erwerbsminderung. Mit Änderungsbescheid vom selben Tag bewilligte die Beklagte dem Kläger „als Vorschuss“ ab 18. April 2013 Alg für 332 Tage mit einem Leistungsbetrag von 20,15 € täglich. Auf den Widerspruch des Klägers gegen den Änderungsbescheid vom 17. April 2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheid vom 29. Mai 2013 abschließend Alg ab 21. März 2013 für 360 Tage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 20,15 €. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus: Zwar habe der Kläger innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Leistungsanspruchs Alg nach einem Bemessungsentgelt iHv 59,73 € bezogen. Die Bestandsschutzregelung des § 151 Abs. 4 SGB III entfalte indes keine Bindungswirkung, wenn der Vorbezug rechtswidrig bemessen worden sei. Bei der Bemessung des Alg ab 10. September 2011 hätte ein Bemessungsentgelt iHv 44,80 € zugrunde gelegt werden müssen, weil der Kläger nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und mithin lediglich in Qualifikationsstufe 4 einzuordnen gewesen wäre. Die Bezugsgröße nach § 18 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) betrage jäh...