Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlanges Gerichtsverfahren. unangemessene Verfahrensdauer. Altfall. keine unverzügliche Erhebung einer Verzögerungsrüge. Präklusion des Entschädigungsanspruchs und der Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer. sozialgerichtliches Verfahren. Allgemeine Leistungsklage. Passivlegitimation

 

Leitsatz (amtlich)

Wird eine unverzüglich erforderliche Verzögerungsrüge nicht rechtzeitig erhoben, ist ein Entschädigungsanspruch bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge präkludiert (so schon LSG Berlin-Potsdam vom 2.8.2013 - L 37 SF 252/12 EK AL = juris RdNr 37 sowie L 37 SF 274/12 EK AS = juris RdNr 54).

Die Präklusion erstreckt sich nicht nur auf den Entschädigungsanspruch, sondern auch auf eine mögliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer (Anschluss an BGH vom 10.4.2014 - III ZR 335/13 = AnwBl 2014, 658 - RdNr 35).

 

Normenkette

GVG §§ 198, 200 S. 1; SGG § 54 Abs. 5, § 202 S. 2

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2015; Aktenzeichen B 10 ÜG 1/15 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 6.100,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 19. April 2004 erhob der bereits damals durch seine jetzigen Bevollmächtigten vertretene Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) eine Untätigkeitsklage, mit der er die Verurteilung der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen zur Bescheidung seines Antrages vom 22. März 2002 auf Anerkennung eines Unfallereignisses vom selben Tage als Arbeitsunfall in entschädigungspflichtigem Umfang begehrte. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 10 U 52/04 registriert. Nachdem die dortige Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 die Gewährung von Entschädigungsleistungen über den 02. Mai 2002 hinaus abgelehnt hatte, nahm der Kläger seine Klage am 16. November 2004 zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01. Dezember 2004 bestätigte die Berufsgenossenschaft ihre ablehnende Entscheidung vom 18. Oktober 2004, woraufhin der Kläger am 06. Dezember 2004 erneut Klage erhob, die unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 registriert wurde. Auf die am 31. Januar 2005 bei Gericht eingegangene Klagebegründung erwiderte der dortige Beklagte umgehend (Eingang des Schriftsatzes am 07. Februar 2005). Es schlossen sich medizinische Ermittlungen insbesondere bei den behandelnden Ärzten an. Zwischen August und Dezember 2005 gaben die Beteiligten diverse Stellungnahmen ab. In der Folgezeit zog das Sozialgericht weitere medizinische Unterlagen bei bzw. wurden solche seitens des Klägers zu den Akten gereicht. Mit Beweisanordnung vom 12. Dezember 2006 bestellte das Sozialgericht Frankfurt (Oder) schließlich einen medizinischen Sachverständigen und räumte diesem eine fünfmonatige Frist zur Erstellung des Gutachtens ein. Nachdem der beauftragte Sachverständige Anfang Januar 2007 die Erstattung des Gutachtens mangels erforderlicher aber nicht zur Verfügung stehender spezieller Untersuchungsinstrumente abgelehnt hatte, wurde Ende des Monats ein anderer Gutachter bestimmt. Dieser teilte dem Gericht Ende März 2007 mit, dass er das Gutachten wegen Überlastung nicht erstellen könne, und sandte die Unterlagen zurück. Unter Hinweis auf seine Pflicht zur Gutachtenerstattung und den bereits seit Anfang Februar 2007 vorliegenden Auftrag wurden diesem Sachverständigen die Unterlagen umgehend erneut zugeschickt. Nachdem dem Sachverständigen zwischenzeitlich eine Fristverlängerung gewährt worden war, ging das Gutachten am 30. November 2007 bei Gericht ein.

Es schloss sich erneut der Austausch von Stellungnahmen der Beteiligten an. Am 09. April 2008 gab das Gericht sodann ein Zusatzgutachten in Auftrag, das drei Monate später bei Gericht einging und - wie schon das vorangegangene - nicht geeignet war, das Begehren des Klägers zu stützen.

Im Folgenden wurde insbesondere klägerischerseits mehrfach zur Sache vorgetragen. Unter dem 28. Januar 2009 forderte der Kammervorsitzende eine gutachterliche Stellungnahme an, die nach zwischenzeitlicher Erinnerung am 29. April 2009 bei Gericht eintraf. Hierzu nahmen die Bevollmächtigten Ende Mai 2009 und Anfang Juli 2009 Stellung.

Im November 2009 informierte das Gericht die Beteiligten, dass es aus gerichtsorganisatorischen Gründen innerhalb weniger Wochen zu einem mehrfachen Wechsel im Vorsitz gekommen sei und angesichts der Belastung ein konkreter Termin nicht in Aussicht gestellt werden könne. Im Folgenden kam es zu weiteren medizinischen Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten.

Am 10. Juni 2010 verfügte der Kammervorsitzende den Rechtsstreit in das Sitzungsfach; mit Verfügung vom 29. Juli 2010 beraumte er eine mündliche Verhandlung für den 02. September 2010 an. Die Sache wurde in der Sitzung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung ver...

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