Entscheidungsstichwort (Thema)

Funktionssystem. Einzel-GdB. Restless-Legs-Syndrom. Hirnschäden. Aufmerksamkeit. Konzentrationsfähigkeit. Schmerzbelastung. Störung des Nachtschlafs. Beeinträchtigung des Wohlbefindens am Folgetag. Schlaf-Apnoe-Syndrom. Depressive Störungen. Gesamt-GdB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Denn die nach VMG, Teil A, Nr. 2e S. 2 vorgeschriebene zusammengefasste Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen in einem Funktionssystem verbietet es, die hierunter fallenden Behinderungen jeweils mit einem Einzel-GdB im Sinne von VMG, Teil A, Nr. 3a S. 1 Hs. 1 zu bewerten; vielmehr ist für das gesamte Funktionssystem ein einziger Einzel-GdB zu bestimmen.

2. Zur Bestimmung eines Einzel-GdB ist in analoger Anwendung des A 3c VMG für das jeweilige Funktionssystem in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einsatz-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung in diesem Funktionssystem zunimmt.

3. Bei der Bewertung des Restless-Legs-Syndrom sind die Vorgaben in VMG Teil B, Nr. 3.1.2 für Hirnschäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen heranzuziehen.

4. Andere extrapyramidale Syndrome, zu denen auch das Restless-Legs-Syndrom zählt, sind analog nach Art und Umfang der gestörten Bewegungsabläufe und der Möglichkeit ihrer Unterdrückung zu bewerten.

5. Ein Restless-Legs-Syndrom führt bereits zu mittelschweren Leistungsbeeinträchtigungen, wenn es am Tag die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt, weil die Erkrankung vorliegend infolge einer überwiegend episodisch auftretenden Schmerzbelastung im Bereich der Beine und unwillkürlicher Beinbewegungen zu einer erheblichen Störung des Nachtschlafs und konsekutiv einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens am Folgetag führt; analog zu der Bewertung des Schlaf-Apnoe-Syndroms bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung nach VMG, Teil B, Nr. 8.7 ist dann ein Einzel-GdB von 50 angemessen.

6. Führen depressive Störungen noch nicht zu mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, so führt dies nicht zu einer Anhebung des GdB von 50 für das Restless-legs-Syndrom. Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nicht auf die Diagnosen der verschiedenen Erkrankungen, sondern auf die aus den Behinderungen folgenden Teilhabebeeinträchtigungen abzustellen.

 

Normenkette

SGB IX § 2 Abs. 1, § 69 Abs. 1, § 152 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).

Den Feststellungsantrag der 1976 geborenen Klägerin vom 14. März 2013 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 17. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2013 mit der Begründung ab, dass bei ihr kein GdB von wenigstens 20 bestehe. Der Beklagte ging hierbei von psychischen Störungen der Klägerin aus, die er mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Potsdam hat die Klägerin einen GdB von mindestens 30 begehrt. Mit Schreiben vom 3. Juli 2014 hat der Beklagte erklärt, bei der Klägerin mit Wirkung ab 14. März 2013 einen GdB von 20 festzustellen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen fortgeführt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten - unter anderem des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. B vom 12. Dezember 2014 und der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. V vom 15. Januar 2015 - das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 24. Januar 2016 mit ergänzender Stellungnahme vom 27. Juni 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung der Klägerin am 22. Januar 2016 vorgeschlagen, bei ihr einen GdB von 50 festzustellen. Der Sachverständige legte dem folgende Einzelbehinderungen zugrunde:

1. rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig,

2. Syndrom der unruhigen Beine.

Das weitere Teilanerkenntnis des Beklagten vom 27. April 2016, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 30 mit Wirkung ab 22. Januar 2016 festzustellen, hat die Klägerin angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen fortgeführt.

Das Sozialgericht Potsdam hat mit Urteil vom 20. Oktober 2016 den Beklagten verpflichtet, bei der Klägerin mit Wirkung ab 10. Juli 2014 (Konsultation bei Dr. B) einen GdB von 30 und mit Wirkung ab dem 7. Oktober 2014 (erste Konsultation bei Dr. V) einen GdB von 50 festzustellen. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 30. Dezember 2016 das Urteil des Sozialgerichts Potsdam ausgeführt.

Gegen die Entscheidung des Sozialgerichts hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie einen höheren GdB ab 1. Juni 2016 begehrt. Sie hat hierzu das für die Deutsche Rentenversicherung Bund ers...

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