Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittel. Aktivrollstuhl. Grundbedürfnisse des täglichen Lebens. berufliche Tätigkeit. sportliche Aktivität

 

Orientierungssatz

Die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln zum Ausgleich einer Behinderung nach § 33 Abs 1 S 1 SGB 5 (hier: Aktivrollstuhl) umfasst nicht den Ausgleich für berufliche Tätigkeiten und vielfältige sportliche Aktivitäten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.03.2006; Aktenzeichen B 3 KR 46/05 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versorgung mit einem (weiteren) Aktivrollstuhl als Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse.

Der im Jahre 1954 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er ist querschnittsgelähmt und von der Beklagten in der Vergangenheit bis zum Jahre 2002 zum Ausgleich seiner Behinderung mit zwei Aktivrollstühlen sowie einem Hand-Bike versorgt worden. Zuletzt ist er mit einem Aktivrollstuhl Sopur Modell Argon versorgt worden, nachdem der im Jahre 2000 bewilligte Rollstuhl für ihn nicht mehr geeignet war (Antrag vom 15. März 2005, Bewilligungsbescheid vom 25. Mai 2005).

Am 16. April 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage einer Verordnung der Fachärztin für Innere Medizin M und einem Kostenvoranschlag des Hilfsmittellieferanten R die Kostenübernahme für einen Aktivrollstuhl mit Starrahmen Modell Sopur Allround 615 nebst Zurüstungen über 2602,68 Euro. Den Starrahmen-Rollstuhl, mit dem er seit dem 18. April 1998 versorgt sei, könne er nicht mehr nutzen, da der Rollstuhl zu schmal geworden sei. Es bestehe die Gefahr, dass er Druckstellen im Bereich der Oberschenkel bekomme. Derzeit nutze er ausschließlich den Aktivrollstuhl (Modell “Sopur Allround„), der im Jahre 2000 als Zweitversorgung bewilligt worden sei. Die Beklagte teilte dem Kläger zunächst mit, er habe zwar grundsätzlich Anspruch auf zwei Rollstühle jeweils für den Innen- und Außenbereich, jedoch nicht Anspruch auf zwei typengleiche Rollstühle. Auf den ergänzenden Vortrag des Klägers lehnte sie den Antrag mit Bescheid vom 15. Mai 2002 ab. Die Notwendigkeit eines zweiten Rollstuhls aufgrund seiner Erkrankung sei nicht erkennbar. Aus hygienischen Gründen sei der Rollstuhl nicht erforderlich, da Rollstühle mit entsprechenden Bezügen ausgestattet werden könnten. Im Falle einer Reparatur reiche ein Leihrollstuhl aus. Sofern eine außerordentliche Nutzung zwei Rollstühle erforderlich mache, sei es lediglich möglich einen Aktivrollstuhl und einen Leichtgewichtsrollstuhl/Standardrollstuhl zur Verfügung zu stellen. Die erkrankungsbedingte Notwendigkeit eines zweiten Aktivrollstuhls müsse durch den behandelnden Arzt begründet werden. Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, es ginge ihm nicht um die Versorgung mit einem bestimmten Modell. Er könne jedoch aufgrund der erheblichen Streck- und Beugespastiken in den Beinen sinnvoll nur mit einem Starrahmenrollstuhl versorgt werden, einverstanden sei er auch mit der Versorgung durch den Aktivrollstuhl Modell “Starlight„ der Firma Sopur, das mit Zusatzausstattung 2098 Euro koste. Er legte eine weitere Verordnung der Ärztin Dr. M über diesen Starrahmenrollstuhl vor. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2002).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 4. April 2003 abgewiesen. Ein Anspruch auf Gewährung eines Zweit-Rollstuhls bestehe nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich die Kammer anschließe, sei die “Erforderlichkeit„ der Versorgung mit einem Hilfsmittel im Sinne des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) dann zu bejahen, wenn der Einsatz des Hilfsmittels zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt werde. Zu diesen Grundbedürfnissen gehörten neben den körperlichen Grundfunktionen auch das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes. Die Grundbedürfnisse eines Erwachsenen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen sowie die Wohnung zur Bewältigung von Wegstrecken, die üblicherweise der Erledigung von Alltagsgeschäften im Nahbereich der Wohnung dienten, verlassen zu können, könnten im Fall des Klägers aber allein mit dem ihm noch verbliebenen, im Jahr 2000 zur Verfügung gestellten Aktivrollstuhl befriedigt werden. Die vom Kläger vorgetragenen hygienischen Gründe bei der Nutzung nur eines Rollstuhls im Innen- und Außenbereich halte die Kammer zwar für nachvollziehbar und plausibel, innerhalb der Grenzen des § 33 SGB V komme es hierauf aber nicht an.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Wie bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren begründet er die Notwendigkeit einer Zweitversorgung damit, dass die bei ihm vorliegende Lähmung eine komplette Blasen- und Mastdarmlähmung umfasse. Trotz entsprechender Vorkehrungen (Windeln und Katheder), auf die ihn die Beklagte im Widerspruchs-...

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