Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anspruch auf Entfernung von Kontoauszügen als persönliche Daten aus der Verwaltungsakte. Löschung gespeicherter Sozialdaten. Aufbewahrungsfrist. Hinweise des Datenschutzbeauftragten

 

Orientierungssatz

Die im Rahmen der Antragstellung zum Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Leistungsakte gereichten Kontoauszüge müssen nicht notwendig mit Ablauf des Bewilligungszeitraums aus der Akte entfernt werden, jedenfalls soweit diese für Folgeverfahren relevant sein können.

 

Normenkette

SGB X § 67c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 84 Abs. 2; SGB I § 60 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.06.2017; Aktenzeichen B 14 AS 162/17 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 26. November 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Entfernung ihrer Kontoauszüge aus der Verwaltungsakte des Beklagten.

Die Klägerin steht im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 7. Oktober 2013 beantragte sie beim Beklagten die “Entfernung sämtlicher Kontoauszüge aus ihrer Verwaltungsakte„.

Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 ab: Nach § 67 c Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei das Speichern von Daten zulässig, wenn dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Jobcenters erforderlich sei und es für Zwecke erfolge, für die die Daten erhoben worden seien. Soweit Kontoauszüge eingereicht worden seien und Angaben enthielten, die die Höhe des Leistungsbezuges beeinflussten, insbesondere auch dann, wenn der Zufluss von Geldleistungen nachgewiesen werden müsse, seien die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben. Sollten sich in der Akte Kontoauszüge befinden, für die diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, würden diese Kontoauszüge aus der Akte entfernt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Auffassung vertreten wurde, dass die Speicherung von Kontoauszügen in der Verwaltungsakte grundsätzlich nicht erforderlich sei, um die dem Beklagten obliegenden Aufgaben zu erfüllen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2013 zurück

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. Dezember 2013 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 13. Januar 2014 Klage beim Sozialgericht Cottbus (SG) erhoben.

Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass sich der Beklagte für die Speicherung von Sozialdaten, also auch das Speichern von Kontoauszügen, nicht darauf berufen könne, dass es sich um Beweismittel handele, da nicht dargelegt worden sei, was mit den Kontoauszügen konkret bewiesen werden solle. Die vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Sozialdaten sei unzulässig. Sofern der Beklagte meine, die Kenntnis des Kontostandes der Betroffenen sei zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit erforderlich, sei dem zwar grundsätzlich zuzustimmen; die Kenntnis des Kontostandes erfordere aber sicher keine Speicherung der Kontodaten bei der Beklagten. Unbestritten sei, dass die Hilfeempfänger verpflichtet seien, ungeschwärzte Kontoauszüge beim Beklagten zur Einsichtnahme vorzulegen. Dies berechtige aber nicht dazu, die Sozialdaten auf alle Ewigkeit hin zu speichern.

Durch Gerichtsbescheid des SG vom 26. November 2014 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat trotz erheblicher Bedenken, ob es sich beim Schreiben des Beklagten vom 15. Oktober 2013 überhaupt um einen anfechtbaren Verwaltungsakt gehandelt habe, das Klagebegehren im Hinblick darauf, dass der Beklagte jedenfalls in dem Widerspruchsbescheid eine Sachentscheidung getroffen habe, in der Sache geprüft. Es hat dazu im Einzelnen ausgeführt:

“Ein Anspruch der Klägerin auf Löschung der vom Beklagten gespeicherten Daten durch das Abheften der Kontoauszüge der Klägerin findet seine Stütze in § 84 Abs. 2 SGB X. Danach sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Ferner sind sie auch dann zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die verantwortliche Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden.

Das Abheften der von der Klägerin zur Verwaltungsakte eingereichten Kontoauszüge ist ein Speichern von Sozialdaten im Sinne des § 67 c Abs. 1 SGB X. Die auf diese Weise nicht nur erhobenen, sondern damit auch gespeicherten Sozialdaten sind nicht im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB X unzulässig gespeichert worden. Denn die bloße Erhebung der Daten durch die Vorlage der Kontoauszüge im Rahmen einer Leistungsbewilligung reicht zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Beklagten nicht aus. Aus den vorzulegenden Kontoauszügen, die insoweit Urkundscharakter haben, sind die jeweiligen Geldzu- und -abflüsse belegt, die für die Frage der Hilfebedürfti...

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