Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Verwertbarkeit eines Hausgrundstücks. Unmöglichkeit eines Umzugs aus gesundheitlichen Gründen. Nichtvorliegen eines Härtefalles iS des § 90 Abs 3 SGB 12. Bestehen weiterer Verwertungsmöglichkeiten. Vorliegen eines Härtefalls iS des § 91 S 1 SGB 12. Darlehen
Orientierungssatz
1. Eine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB 12 liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstandes und der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R und BVerwG vom 14.5.1969 - V C 167.67 = BVerwGE 32, 89 = Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr 2).
2. Der Umstand, dass jemand aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, sein Haus und sein Grundstück zu verlassen, begründet keine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB 2. Dieser bezieht sich auf die Verwertung insgesamt. Als Verwertungsmöglichkeiten kommen immer noch eine Übertragung des Eigentums durch Verkauf unter Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts bei Minderung des Kaufpreises, der in Raten gezahlt wird, oder aber eine Beleihung des Grundstücks in Betracht.
3. Der Härtefall in § 91 S 1 SGB 12 unterscheidet sich von dem in § 90 Abs 3 SGB 12 dadurch, dass es im Rahmen des § 91 S 1 SGB 12 auf den Zeitpunkt der Verwertung ankommt. Die Härte iS des § 90 Abs 3 SGB 12 liegt in der Beeinträchtigung der sozialen Stellung des Hilfesuchenden. § 91 S 1 SGB 12 erfasst hingegen die Fälle, in denen die Härte in der Verwertung als solcher liegt.
4. Ist jemand wegen einer psychischen Erkrankung an einem Umzug bzw aus gesundheitlichen Gründen an der Beleihung seines Hausgrundstücks gehindert, ohne dass es sich um einen dauerhaften Zustand handelt, liegt eine Härte iS des § 91 S 1 SGB 12 vor, die zu einer darlehensweisen Leistungsgewährung führt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - als Zuschuss statt als Darlehen.
Die 1949 geborene Klägerin, bei der eine Betreuung angeordnet ist, erhält vom Rentenversicherungsträger seit Juli 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer. Die Rente wurde in Höhe von 161,56 Euro (Stand Juli 2006) und in Höhe von 161,03 Euro ab April 2007 ausgezahlt. Zudem hatte die Klägerin nach eigenen Angaben seit November 2004 schwankendes Einkommen von monatlich unter 100,00 Euro. Die Klägerin hat einen ca. 25 Jahre alten Sohn, der nicht mit ihr zusammen lebt.
Die Klägerin steht seit Februar 1991 im Sozialhilfebezug bei dem Beklagten. Ab dem 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 wurden der Klägerin auch Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz - GSiG - gewährt. Die Leistungsgewährung von Februar 1991 bis November 1994 erfolgte als Darlehen, welches dinglich gesichert wurde.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in B, L, im W , welches im Grundbuch von L (Blatt. ) eingetragen ist. Das Grundstück umfasst die Flurstücke 165, 1547, 165.5, mit den Größen von 39 m², 146 m², 1054 m² mithin eine Gesamtgröße von 1.239 m². Für die Mutter der Klägerin, welche 1996 verstorben ist, ist ein lebenslänglicher Nießbrauch in die 2. Abteilung des Grundbuchs eingetragen. In die 3. Abteilung des Grundbuches sind dingliche Belastungen in einem Wert von 32.024,26 DM, 15.156,11 DM zugunsten des Beklagten eingetragen. Das Grundstück ist bebaut mit einem eingeschossigen, voll unterkellerten Einfamilienhaus aus dem Jahre 1959. Das Haus umfasst 3,5 Zimmer, Bad, Gäste-WC, Küche, Flur und Windfang, Diele und Balkon. Die Wohnfläche beträgt ca. 118 m². Nach einer im August 1997 erstellten Wertermittlung befand sich das Einfamilienhaus in einem “vernachlässigten„ Zustand, Instandhaltungsmaßnahmen seien nur bedingt durchgeführt worden. Die Marktlage wurde damals als “durchschnittlich„ bezeichnet. Der Wert des Hausgrundstückes wurde in dem Gutachten aus August 1997 mit einem Verkehrswert von 970.000,00 DM (495.953,12 Euro) ermittelt.
Die Klägerin bewohnte nach eigenen Angaben lediglich zwei halbe Zimmer, unter Nutzung des Bades und einer Küche mit einer Gesamtgröße von 35 m². Seit 2005 vermietete die Klägerin nach eigenen Angaben an ihren ehemaligen Ehemann im Keller ein Zimmer mit Badbenutzung und erhielt hierfür monatlich einen Betrag in Höhe von 100,00 Euro.
Unter dem 9. Mai 2005 stellte die Ärztin für Psychiatrie Dr. L fest, dass ein ...