Entscheidungsstichwort (Thema)

Festbetragsfestsetzung. HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine). Allgemeinverfügung, Erledigung. Fortsetzungsfeststellungsklage. Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Amtshaftungsprozess. Anfechtungsklage. Klagebefugnis eines Arzneimittelherstellers. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bildung einer Festbetragsgruppe. untergesetzliche Normsetzung. eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit. Gestaltungsspielraum. therapeutische Verbesserung (verneint). Vergleichsgröße. verordnungsgewichtete durchschnittliche Wirkstärke. Pflicht des Normgebers zur permanenten Überprüfung der Tragfähigkeit der untergesetzlichen Norm. "Systemversagen" (nicht erkennbar). Festsetzung eines Festbetrages für den Wirkstoff Atorvastatin in der Festbetragsgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer

 

Leitsatz (amtlich)

Justitiabel im Sinne von angreifbar wird gesetzgeberisches Stillhalten des Gemeinsamen Bundesausschusses nur, wenn neue Umstände ihn rechtlich verpflichten, eine ursprünglich rechtmäßige Festbetragsgruppe zu ändern, er aber im Sinne eines "Systemversagens" seinem in §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht wird; für die seit dem 20. Juli 2004 bestehende Festbetragsgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer ("Statine") ist eine solche rechtswidrige Untätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses auch nach Inkrafttreten des AVWG am 1. Mai 2006 nicht zu erkennen (Anschluss an Urteil des Senats vom 2. Dezember 2009, L 9 KR 8/08).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen B 1 KR 13/10 R)

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und zu 4); die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen wenden sich gegen die Festsetzung eines Festbetrages für den Wirkstoff Atorvastatin in der Festbetragsgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer. Streitgegenständlich sind hier die Allgemeinverfügungen der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen, der Rechtsvorgänger des Beklagten, vom 11. Mai 2006 und vom 7. April 2008. Der Senat hat das vorliegende Verfahren aus dem Rechtstreit L 9 KR 8/08 abgetrennt. Dort hat er mit Urteil vom 2. Dezember 2009 zur Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügungen der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen vom 29. Oktober 2004 und vom 10. Februar 2006 entschieden.

Atorvastatin gehört zur Wirkstoffgruppe der Statine, wird synthetisch hergestellt, hemmt die HMG-CoA-Reduktase und senkt auf diese Weise das LDL-Cholesterin. Der Wirkstoff ist enthalten in dem von den Klägerinnen seit 1997 in Deutschland hergestellten und vertriebenen Fertigarzneimittel Sortis®. Atorvastatin wurde am 17. Dezember 1996 zugelassen und genießt bis 2011 Patentschutz. Die Zulassung erfasste zunächst die Wirkstärken 10, 20, 40 mg, später auch die Wirkstärke 80 mg.

Nach der Fachinformation mit Stand vom Januar 2003 (Wirkstärken 10, 20, 40 mg) bzw. Januar 2006 (Wirkstärken 10, 20, 40 und 80 mg) erstreckte sich die Zulassung von Sortis® auf folgende Anwendungsgebiete:

Die Anwendung von Sortis ist zusätzlich zu einer Diät angezeigt zur Senkung erhöhter Gesamtcholesterin-, LDL-Cholesterin-, Apo-Lipoprotein-B- und Triglyzeridspiegel bei Patienten mit Primärer Hypercholesterinämie, einschließlich Familiärer Hypercholesterinämie (heterozygote Variante) oder Kombinierter (Gemischter) Hyperlipidämie (entsprechend Typ II a und II b nach Fredrickson), wenn Diät und andere nicht pharmakologische Maßnahmen keine ausreichende Wirkung erbringen.

Sortis ist auch zur Senkung von Gesamt- und LDL-Cholesterin bei Patienten mit Homozygoter Familiärer Hypercholesterinämie angezeigt - entweder zusätzlich zu anderen lipidsenkenden Maßnahmen (z. B. LDL-Apherese) oder falls solche Behandlungsmöglichkeiten nicht verfügbar sind.

Seit Mai 2006 enthält die Fachinformation zusätzlich zur Hypercholesterinämie folgendes Anwendungsgebiet:

Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen

Zur Vorbeugung kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten, deren Risiko für ein erstes kardiovaskuläres Ereignis als hoch eingestuft wird, zusätzlich zur Behandlung weiterer Risikofaktoren.

Nach Durchführung eines Anhörungsverfahrens beschloss der Beigeladene zu 1), der Gemeinsame Bundesausschuss, in seiner Sitzung am 20. Juli 2004, die Arzneimittelrichtlinien in der Anlage 2 um die Festbetragsgruppe der Stufe 2 “HMG-CoA-Reduktasehemmer„ wie folgt zu ergänzen (Bekanntmachung im Bundesanzeiger Nr. 182 vom 25. September 2004, S. 21086):

HMG-CoA-Reduktasehemmer

Wirkstoffe:

Vergleichsgröße:

Atorvastatin

16,7

Fluvastatin

42,2

Lovastatin

23,2

Pravastatin

21,3

Simvastatin

20,7

orale, abgeteilte Darreichungsformen

Kapseln; Filmtabletten; Retardtabletten; Tabletten.

Die Beschlussbegründung beruht im Wesentlichen auf den Annahmen: Die Analyse der chemischen Strukturen der Mitglieder der Wirkstoffgruppe lasse keinen Zweifel an der chemischen V...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge