Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von während der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem der ehemaligen DDR gezahltem Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt
Orientierungssatz
1. Nach § 8 Abs. 3 S. 1 AAÜG hat das Land als Versorgungsträger für ein Sonderversorgungssystem der ehemaligen DDR dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 bekanntzugeben.
2. Das aufgrund eines ministeriellen Beschlusses der DDR gezahlte Verpflegungsgeld stellt Arbeitsentgelt i. S. des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG dar.
3. Ob Einnahmen lohnsteuerfrei und damit nicht dem Arbeitsentgelt i. S. von § 1 ArEV zuzuordnen sind, bestimmt sich nach dem am 1. 8. 1991 geltenden bundesdeutschen Steuerrecht.
4. Gezahltes Verpflegungsgeld war nach bundesdeutschem Steuerrecht nicht steuerfrei. Damit war es bei Inkrafttreten des AAÜG steuerpflichtig und ist somit als weiteres Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2014 geändert.
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 7. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2012 verpflichtet, die Feststellung der Höchstbeträge der Arbeitsentgelte des Klägers im Bescheid vom 5. Juli 2004 teilweise zurückzunehmen und anstelle der bisherigen Entgelthöchstbetragsregelungen neue Höchstbetragsregelungen unter Einbeziehung von Verpflegungsgeldzahlungen für die Zeit vom 1. Januar 1970 bis 31. Dezember 1970 in Höhe von 101,90 M monatlich, vom 1. Januar 1971 bis 3. Oktober 1971 in Höhe von 114,05 M monatlich, für Oktober entsprechend anteilig, vom 1. September 1972 bis 31. Dezember 1972 in Höhe von monatlich 114,40 M, vom 1. Januar 1973 bis 31. Dezember 1973 in Höhe von 114,15 M monatlich, vom 1. Januar 1974 bis 31. August 1980 und 1. Juli 1983 bis 30. Juni 1986 in Höhe von 129,35 M monatlich und vom 1. Juli 1986 bis 31. Januar 1990 in Höhe von 137 M monatlich festzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger drei Viertel der außergerichtlichen Kosten im gesamten Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für die Zeit seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Deutschen Volkspolizei (DVP), der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Sonderversorgungssystem Nr. 2 der Anlage 2 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG -) die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von Verpflegungsgeld.
Der 1944 geborene Kläger war vom 19. September 1966 bis 31. Januar 1990 Angehöriger der DVP. Vom 4. Oktober 1971 bis 9. August 1972 besuchte er die Polizeischule in W und nahm an der dortigen Gemeinschaftsverpflegung teil. Vom 1. September 1980 bis 30. Juni 1983 studierte der Kläger an der Polizeihochschule “Ka-M„ im Wege der Delegation. Der Polizeipräsident in B stellte mit Bescheid vom 5. Juli 2004 für die Zeiten vom 19. September 1969 bis 31. Januar 1990 die Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem nach der Anlage 2 Nr. 4 zum AAÜG sowie die Jahresentgelte nach § 8 AAÜG fest. Im Übrigen lehnte er entsprechende Feststellungen ab.
Der Kläger erhielt seinem Vortrag zufolge seit dem 19. Juni 1966 - mit Ausnahme der Studienzeit an der Polizeihochschule - Verpflegungsgeld in unterschiedlicher Höhe, und zwar bis Dezember 1970 “vermutlich„ in Höhe von 101,90 MDN (= Mark der Deutschen Notenbank), ab Januar 1971 bis Dezember 1973 in Höhe von 114,15 M, von Januar 1974 bis Dezember 1986 in Höhe von 129,35 M und seit Januar 1987 bis zu seinem Ausscheiden in Höhe von 137 M.
Seit dem 1. Dezember 2007 bezieht der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte (Bescheide der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 26. Oktober 2007 und 11. Dezember 2007).
Mit seinem Antrag vom 18. September 2009 beantragte der Kläger bei dem Beklagten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - die Überprüfung des Entgeltbescheides und insoweit die Feststellung “weiterer Zulagen/Zuschläge„, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der DVP vom 19. September 1966 bis zum 31. Oktober 1990 standen. Mit Bescheid vom 7. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2012 lehnte die Beklagte eine Änderung des Bescheides vom 5. Juli 2004 zugunsten des Klägers ab. Verpflegungsgeld wäre nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des AAÜG anzusehen; es hätte keinen Lohn-, sondern Aufwendungscharakter und wäre auch nicht lohnsteuerpflichtig.
Das Sozialgericht Berlin (SG) hat auf die hiergegen erhobene Klage des Klägers mit seinem schriftsätzlich präzisierten Antrag vom 24. Juni 2014 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidenten in B vom 7. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2012 verurteilt, den Bescheid vom 5. Juli 2004 zu ändern und das in der Zeit vom 19. September 1966 bis 31. Januar 1990 gewährt...