Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des für ein Medizinisches Versorgungszentrum maßgeblichen Regelleistungsvolumens unter Berücksichtigung eines Morbiditätszuschlags. Honorarbescheid. Zuweisungsbescheid. Kooperationszuschlag
Orientierungssatz
1. Die Werte für die Regelleistungsvolumina der Vertragsärzte sind nach § 87b Abs. 3 SGB 5 a. F. morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen.
2. Jeder Arzt einer Arztgruppe erhält ein arztgruppenspezifisches Regelleistungsvolumen (RLV), welches sich aus der Multiplikation des jeweils gültigen arztgruppenspezifischen Fallwertes mit der RLV-Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal ergibt.
3. Der Anspruch des Vertragsarztes auf Berücksichtigung eines Morbiditätszuschlags orientiert sich nicht an den Fallzahlen der vertragsärztlichen Praxis, sondern am Fallwert. Er bezieht seine sachliche Rechtfertigung aus einem erhöhten Leistungsbedarf in den unterschiedlichen Alterskohorten, nicht aber aus einer aufgrund des Lebensalters der Patienten abweichenden Zählung derjenigen Fallzahlen, die für die Bemessung des RLV relevant sind.
Normenkette
SGB V § 87b Abs. 2-5
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Januar 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2013 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, über den Honoraranspruch der Klägerin für das II. Quartal 2010 erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zum Morbiditätszuschlag zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu drei Vierteln, die Beklagte zu einem Viertel zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Honorarbescheid für das II. Quartal 2010.
Die Klägerin ist ein in der Rechtsform einer GmbH betriebenes Medizinisches Versorgungszentrum, das mit Beginn des II. Quartals 2010 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Als angestellte Ärztinnen wurden für die Klägerin die Fachärztin für Nervenheilkunde Frau Dr. L und die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Frau W tätig. Vor der Aufnahme der Beschäftigung bei der Klägerin hatten die beiden Ärztinnen auf eine vorher bestehende Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als niedergelassene Ärzte in Einzelpraxen in C verzichtet.
Durch Honorarbescheid vom 28. Oktober 2010 setzte die Beklagte das Honorar für das II. Quartal 2010 in Höhe von 79.492,55 € (brutto) fest. Das entsprach einer Vergütungsquote von 79,89 %.
Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie die Berücksichtigung höherer Fallzahlen und eines Kooperationszuschlags verlangte, die mangelnde Transparenz des Bescheides, das Fehlen eines vorherigen Zuweisungsbescheides sowie die vorgenommenen Abstaffelungen rügte, die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten begehrte, sie sich gegen Honorarkürzungen wegen unzureichender Fortbildung verwahrte und eine Honorarausgleichszahlung beantragte sowie sich gegen vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellungen wandte.
Durch Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2013 vergütete die Beklagte einige Gebührennummern nach und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Die Honorarberechnung entspreche nunmehr den maßgebenden Vorschriften.
Dagegen richtet sich die am 18. Februar 2013 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 28. Januar 2015 abgewiesen. Die Klägerin sei nicht beschwert. Hinsichtlich der geltend gemachten Praxisbesonderheiten werde auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Mit Recht sei die für Neu- und Jungpraxen geltende Regelung angewandt worden. Denn die angestellten Ärzte hätten auf ihre Zulassung verzichten müssen. Mithin liege ein Statuswechsel vor, so dass die Fallzahlen des Vorjahresquartals nicht herangezogen werden könnten. Neben der Berücksichtigung der tatsächlichen Fallzahl bestehe kein Anspruch auf Gewährung eines Kooperationszuschlags. Es sei nicht zu beanstanden, dass ein Kooperationszuschlag nur denjenigen Ärzten gewährt werde, bei denen die Fallzahlen des Vorjahres zugrunde gelegt würden. Nach der Zählweise der Bundesmantelverträge werde ein Versicherter, der in demselben Quartal bei mehreren Ärzten der Klägerin in Behandlung gewesen sei, gleichwohl nur als ein Behandlungsfall gezählt. Das solle der Kooperationszuschlag ausgleichen, Wenn aber begünstigend die tatsächliche im Quartal abgerechnete Behandlungsfallzahl zugrunde gelegt werde, verstoße die Nichtgewährung eines zusätzlichen Kooperationszuschlags weder gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit noch gegen den der angemessenen Vergütung. Auch die Vorgaben des BSG zu den notwendigen Wachstumsmöglichkeiten einer Neupraxis seien eingehalten. Diese würden nicht bedeuten, dass für eine bestimmte Anzahl von Quartalen alle erbrachten Leistungen zur Gänze vergütet werden müssten. Grundsätzlich sei für die Fach...