Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer bei querulatorischer Prozessführung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 200 S. 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land.

2. Eine Entschädigungsklage nach § 198 GVG ist unzulässig, wenn sie vor Ablauf der auf eine Verzögerungsrüge nach Abs. 5 dieser Vorschrift erforderlichen Wartefrist von sechs Monaten erhoben ist.

3. Eine Verfahrensdauer, die zwölf Monate pro Instanz übersteigt, ist grundsätzlich nicht mehr als angemessen anzusehen. Gerade in einem kostenpflichtigen Verfahren soll der Verfahrensbeteiligte möglichst zügig Klarheit darüber erlangen, ob er dieses Verfahren, im Hinblick auf zu gewährende Prozesskostenhilfe, ohne eigene Kostenbelastung wird führen können.

4. Ist diesem erkennbar an einer zügigen Entscheidung nicht gelegen, sondern ist das von ihm betriebene Verfahren durch ein von erheblichen querulatorischen Tendenzen geprägtes Prozessieren um des Prozessierens willen geprägt, so ist eine unangemessene Verzögerung des PKH-Gesuchs zu verneinen und die Gewährung von Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer zu versagen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 1.900,- € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Entschädigung von Nachteilen wegen überlanger Dauer zweier Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Der Kläger erhob am 30. Dezember 2013 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) Entschädigungsklage (- L 37 SF 2/14 EK AS -), mit der er die nach seiner Auffassung überlange Dauer des beim LSG anhängigen Verfahrens - L 5 AS 1437/10 - rügte. Zugleich stellte er einen Antrag auf PKH (im Folgenden: 1. Ausgangsverfahren). Bereits zuvor hatte er am 28. November 2013 eine Klage beim LSG eingereicht, mit der er Entschädigung wegen einer überlange Verfahrensdauer des im Verfahren - L 5 AS 1437/10 - gestellten PKH-Antrages geltend machte; diese Klage wurde bei dem LSG zunächst als solche übersehen und sodann im April 2015 unter dem Aktenzeichen - L 37 SF 94/15 EK AS - registriert. Auch dort beantragte der Kläger PKH (2. Ausgangsverfahren). Der 37. Senat hat beide Klagen unter dem Aktenzeichen - L 37 SF 94/15 EK AS - weitergeführt (Beschluss vom 14. September 2015).

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 8. Juli 2015 (Eingang am 24. Juli 2015) “Verzögerungsrüge„ im Hinblick auf seinen im Verfahren - L 37 SF 2/14 EK AS - gestellten PKH-Antrag. Bereits mit Schreiben vom 20. Dezember 2014 und 2. März 2015 (Eingang bei Gericht am 26. März 2015) hatte er die Verzögerung des seit 28. November 2013 anhängigen Verfahrens (- L 37 SF 94/15 EK AS -) gerügt.

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2015, dem Kläger zugestellt am 29. Dezember 2015, hat das Ausgangsgericht dem Kläger für die Entschädigungsklage(n) PKH bewilligt, soweit die Klage auf Zahlung einer Entschädigung iHv 600,- € gerichtet ist, und den Antrag im Übrigen abgelehnt.

Der Kläger hat am 4. Januar 2016 Entschädigungsklage wegen seiner in den Ausgangsverfahren nach seiner Auffassung erst nach einer unangemessen langen Verfahrensdauer beschiedenen PKH-Anträge erhoben und macht eine Entschädigung iHv 1.900,- € nebst Zinsen geltend. Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat die Akten der Ausgangsverfahren angefordert; dem Kläger wurde mit Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 PKH bewilligt, soweit eine Entschädigung iHv 400,- € geltend gemacht wird.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.900,- € nebst Zinsen zu zahlen, ferner festzustellen, dass die Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in den hier gerügten Verfahren unangemessen lange gedauert haben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage, soweit diese sich auf das Ausgangsverfahren - L 37 SF 2/14 EK AS - bezieht, bereits mangels Einhaltung der Wartefrist des § 198 Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für unzulässig. Gleiches gelte auch in Bezug auf das Ausgangsverfahren - L 37 SF 94/15 EK AS -. Denn es sei kein Rechtsschutzbedürfnis für eine sich (nur) auf ein PKH-Verfahren beziehende Entschädigungsklage zu erkennen.

Die Gerichtsakte und die Akten der Ausgangsverfahren haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet und war abzuweisen.

Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl I S 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl I S 2554). Bei dem geltend ...

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