Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschaler Überprüfungsantrag. Bestandskraft. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Rechtssicherheit. Mitwirkungsobliegenheit. Amtsermittlung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.3.2013 - L 19 AS 727/11, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB X § 44 Abs. 1, 4, §§ 20, 31; VwVfG § 51; SGB II § 40 Abs. 1; SGB I § 60; SGG §§ 77, 103; BGB § 242
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 02. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Überprüfung diverser Bescheide seit Januar 2006 hat.
Die Klägerin lebt mit ihrer 1986 geborenen Tochter zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie bezieht seit vielen Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Am 20. Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide seit dem 01. Januar 2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. Auf die Bitte des Beklagten mit Schreiben vom 05. Januar 2011, konkret die einzelnen zu überprüfenden Bescheide und den Grund für die Überprüfung zu benennen, teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mittels Stempelaufdruck auf dieses Schreiben mit, es sollten sämtliche Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Mit Bescheid vom 14. Januar 2011 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Eine Überprüfung sämtlicher Bescheide in der Sache sei nicht vorzunehmen. Trotz Aufforderung seien keine konkreten Verwaltungsakte benannt worden, die überprüft werden sollten. Ein schlüssiger Vortrag diesbezüglich und die damit verbundene Benennung der konkreten Verwaltungsentscheidung stelle jedoch die Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Ein solcher Antrag ohne das Benennen des konkret erlassenen Verwaltungsaktes sei als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme anzusehen. Den dagegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 (W /11) zurück. Die Klägerin habe nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könne. Es ergäben sich auch keine neuen Erkenntnisse, die dafür sprächen, dass die Entscheidung falsch sei. Eine sachliche Prüfung der Bescheide, die seit dem 01. Januar 2006 erlassen worden seien, sei daher abzulehnen.
Dagegen hat allein die Klägerin am 20. April 2011 Klage bei dem Sozialgericht Cottbus erhoben. Die Ablehnung des Überprüfungsantrags sei rechtswidrig. Im Verfahren nach § 44 SGB X müssten keine Rechtsansichten mitgeteilt werden. Der Beklagte unterliege vielmehr einem Amtsermittlungsgrundsatz. Die Behörde dürfe einen Überprüfungsantrag nur dann ohne Sachprüfung ablehnen, wenn dieser wiederholt gestellt worden sei. Der Antrag richte sich gegen insgesamt 56 Bescheide. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 06. Juni 2011 Bezug genommen. Im Wesentlichen habe der Beklagte die Kosten der Unterkunft jeweils unzutreffend ermittelt.
Mit Gerichtsbescheid vom 02. Oktober 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zutreffend habe der Beklagte eine Überprüfung der bisherigen Bescheide unter Berufung auf deren Bestandskraft abgelehnt, weil der Antrag auf Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide die einzelnen Bescheide nicht hinreichend bezeichnet habe und die Behörde auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu keiner diesbezüglichen Ermittlung ins Blaue hinein verpflichtet sei. Soweit die Klägerin nur die Überprüfung von Bescheiden ohne Darlegung konkreter, auf den jeweiligen Bescheid bezogener Gründe beantrage, begehre sie die Nachprüfung eines Verwaltungshandelns überhaupt. Dies löse ohne weitere Mitwirkung der Klägerin, die hier nicht erfolgt sei, keine Verpflichtung des Beklagten aus, von Amts wegen in die inhaltliche Prüfung einzutreten. Anderweitige Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der streitigen Bescheide sprächen, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kammer sei auch von Amts wegen nicht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Der Umfang der Amtsermittlungspflicht werde durch den Gegenstand des Rechtsstreits begrenzt. Vorliegend sei streitgegenständlich nur die Überprüfung, ob der Beklagte den Überprüfungsantrag zu Recht zurückgewiesen und sich dabei auf die Bestandskraft der Bescheide haben berufen können.
Am 05. Oktober 2012 ist der Gerichtsbescheid zugestellt worden. Am 10. Oktober 2012 hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorsorglich einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, den sie am 26. März 2013 zurückgenommen hat.
Zur Begründung der Berufung beruft sich die Klägerin auf Beschlüsse des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 22. Dezember 2010 - L...