Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückverweisung gem § 131 Abs 5 SGG an die Behörde. gerichtliche Überprüfung. erforderliche weitere Ermittlung. Erheblichkeit der Ermittlungen. Sachdienlichkeit der Zurückverweisung. Einholung eines Gutachtens. Geltung des § 131 Abs 5 SGG idF vom 26.3.2008 auch für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Klageeinreichung vor Inkrafttreten der Neuregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Ob die Voraussetzungen des § 131 Abs 5 SGG vorliegen, ist uneingeschränkt vom Rechtsmittelgericht überprüfbar.
2. Allein die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist für das Gericht nicht mit einem erheblichen Aufwand im Sinne des § 131 Abs 5 SGG verbunden.
Orientierungssatz
§ 131 Abs 5 SGG idF vom 26.3.2008 gilt mit Wirkung vom 1.4.2008 nunmehr auch für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die Neuregelung greift wegen Fehlens einer Übergangsvorschrift auch bei Fällen der vorliegenden Art ein, in denen die Klage vor dem 1.4.2008 bei Gericht eingegangen ist, die abschließende Entscheidung jedoch nach dem 30.3.2008 getroffen wurde.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die in der Türkei geborene, verheiratete Klägerin hat nach der Geburt ihres Kindes N im August 1971 einen achtmonatigen Kurs als Schneiderin an einer türkischen Gewerbeschule absolviert. Nach dem Zuzug nach Deutschland im September 1980 arbeitete sie vom September 1985 bis August 1999 mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit als Textilarbeiterin und war danach, unterbrochen durch eine AB-Maßnahme (Mai 2001 - Mai 2002) und eine Mehrarbeitsgelegenheit (Januar 2005 bis Dezember 2006) arbeitslos. Sie bezieht zur Zeit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 09. März 2007 beantragte die Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung und gab Probleme mit der Sehfähigkeit sowie Leiden auf orthopädischem und seelischem Gebiet an.
Nach internistischer Begutachtung der Klägerin durch Dr. C, die die Klägerin im Ergebnis noch für vollschichtig leistungsfähig hielt, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2007 den Rentenantrag aus medizinischen Gründen ab.
Hiergegen erhob die Klägerin am 15. August 2007 Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte einen Befundbericht der die Klägerin behandelnden Augenärztin Dr. S ein, wonach der Visus rechts 0,8 und links 0,3 beträgt. Die Beklagte holte weiter einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Neurologen Dr. K ein, der eine depressive Störung attestierte, sowie ein augenärztliches Gutachten von Dr. K und ein internistisches Gutachten von Dr. D. Beide Gutachter schätzen ein, dass das Leistungsvermögen der Klägerin mehr als sechs Stunden täglich beträgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. März 2008 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit der sie ihren Rentenanspruch weiter verfolgt und geltend macht, sie sei erwerbsgemindert. Die Beklagte hat dem mit Bezugnahme auf die Begründung im Widerspruchsbescheid widersprochen und die Verwaltungsakten am 18. April 2008 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. Juli 2008 hat das Sozialgericht nach entsprechender Anhörung der Beteiligten zu dieser beabsichtigten Verfahrensweise die angefochtenen Bescheide gemäß § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente, gleichwohl es sei eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen, insbesondere auf neurologischem Gebiet erforderlich. Für eine abschließende Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin sei zunächst ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten unter Hinzuziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache einzuholen. Zudem habe die Klägerin im Klageverfahren zwei weitere behandelnde Ärzte auf psychologischem und psychiatrischem Gebiet angegeben, von denen bislang keine Befundberichte eingeholt worden seien. Die erforderlichen Ermittlungen seien nach Art und Umfang erheblich. Diese erheblichen Ermittlungen habe die Beklagte unterlassen; insoweit liege ein Ermittlungsausfall vor, der eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG rechtfertige und auch sachdienlich erscheine.
Am 07. August 2008 hat die Beklagte gegen den ihr am 24. Juli 2008 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, zwar sei richtig, dass ihr die Pflicht obliege, den Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren umfassend z...