Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildungsbedarf. Kostenübernahme für Schulgeld für eine Privatschule. kein Mehrbedarf wegen eines unabweisbaren laufenden besonderen Bedarfs -Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der allgemeine und existenzsichernde Bedarf von Kindern und Jugendlichen an Schulbildung ist aufgrund der Schulgeldfreiheit für öffentliche Schulen, mit denen der Staat seinen Erziehungsauftrag gem Art 7 Abs 1 GG erfüllt, ausreichend gedeckt. Insoweit sind Kosten für den Besuch einer von den Eltern gewählten Privatschule (hier: Waldorfschule) als Mehrbedarf gem § 21 Abs 6 SGB 2 nicht anzuerkennen.

2. Darauf, dass das Elternrecht nach Art 6 Abs 2 S 1 GG grundsätzlich die freie Wahl zwischen den jeweiligen Schulformen lässt, kann ein Anspruch auf Gewährung des Schulgeldes nicht gestützt werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.06.2018; Aktenzeichen B 14 AS 395/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung von Schulgeld in Höhe von 92 € monatlich für den Besuch einer privaten Waldorfschule für die Monate Februar 2015 bis Januar 2016.

Die frühere Klägerin ist die - ihren Angaben zufolge alleinsorgeberechtigte - Mutter des 2000 geborenen Klägers, und einer 2010 geborenen, im selben Haushalt lebenden Tochter, die im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II (Arbeitslosengeld II - Alg II) - des Beklagten stehen. Unter derselben Wohnanschrift lebt der Vater und Prozessbevollmächtigte des Klägers, der dem Haushalt des Klägers nicht angehöre und vom Beklagten im gegenständlichen Zeitraum auch weder als Bedarfsgemeinschafts- noch als Haushaltsmitglied berücksichtigt wurde. Der Prozessbevollmächtigte bewohne eine eigene Wohnung im selben Mietshaus wie seine Kinder und die Mutter. Unterhalt gewähre er dem Kläger nicht, der auch keine Unterhaltsvorschussleistungen erhalte.

Der Weiterbewilligungsantrag vom 13. Januar 2015 für die Zeit ab 1. Februar 2015, umfasste auch den Antrag, das Schulgeld für die vom Kläger seit der 1. Klasse und seinerzeit in der 9. Klasse besuchte J Schule-B (Waldorfschule in W), eine staatlich anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft, in Höhe von 92 € im Monat zu zahlen. Bisher sei die Mutter für das Schulgeld (auch für die Tochter, die dieselbe Schule derzeit in der 2. Klasse besuche) aufgekommen.

Der Beklagte bewilligte den drei Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 15. Januar 2015 für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, und zwar in Höhe der jeweiligen Regelbedarfe, der für die Wohnung insgesamt entstehenden und auf drei Haushaltsmitglieder aufgeteilten Miet- und Heizungskosten, von Mehrbedarfen für Alleinerziehung für die Mutter und für kostenaufwändigere Ernährung (Tochter) unter Berücksichtigung der Kindergeldzahlungen für beide Kinder als einziges Einkommen in einer Gesamthöhe von 1.261,59 €. Auf den Berechnungsbogen zum Bewilligungsbescheid wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 824 ff. der Leistungsakten). Mit einem weiteren Bescheid vom 15. Januar 2015 lehnte der Beklagte die Übernahme des Schulgeldes für den Besuch der Privatschule ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2015 zurück. Das für den Kläger geforderte Schulgeld sei weder als Regelbedarf noch als Mehrbedarf bzw. Sozialgeld berücksichtigungsfähig. Ein im Einzelfall unabweisbarer, laufender Bedarf bestehe in Bezug auf das Schulgeld nicht, weil der Bedarf in Bezug auf Schulbildung durch öffentliche Schulen ausreichend gedeckt werde.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) ist ausgeführt, Grund für die Wahl der Waldorfschule sei, dass der Kläger eine ordentliche Ausbildung erhalten solle, welches an einer öffentlichen Schule im von ihm bewohnten Problembezirk unmöglich sei. Der Versuch, ihn auf einer besseren staatlichen Schule unterzubringen, sei gescheitert.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. März 2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger hätten keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt im Zeitraum 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2016 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs in Höhe des monatlich anfallenden Schulgeldes, wie sich aus der zutreffenden Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides ergebe.

Mit der allein vom Bevollmächtigten des Klägers für jenen eingelegten Berufung wird geltend gemacht, insbesondere in Problemquartieren sei angesichts vieler Ausländerkinder keine ausreichende Schulbildung an staatlichen Schulen zu erreichen, wie eine Vielzahl von Studien belegte. Das Recht des Klägers auf Schulbildung und auf Gle...

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